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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Garsende, dort mit ihrer Suche zu beginnen.
    Als sie an der Ecke ankam, wo Brot- und Zwerchgasse sich kreuzten und sie die Burggräfin zuletzt gesehen hatte, blieb die Heilerin stehen.
    »Das Haus des Kesselflickers liegt in der Schwertfegergasse, da werde ich nicht lange unterwegs sein«, hörte sie im Geist Matthäas Stimme.
    Am Tag zuvor hatte Hildrun die Nachricht vom Markt mitgebracht, der alte Diethold habe nun doch endlich seinen letzten Schnaufer getan.
    Sich der Armen und Bedürftigen anzunehmen, war nicht nur Christenpflicht jeder Frau von Stand. Es gehörte im besonderen Maße zu den Aufgaben der Burggräfin, sich um derlei Dinge zu kümmern, und wie zu erwarten gewesen war, hatte Matthäa beschlossen, die Witwe am nächsten Tag aufzusuchen.
    Garsende seufzte. An jenem Morgen war die Burggräfin guter Dinge gewesen. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass sie ein anderes Ziel angestrebt hätte oder das Haus der Kesselflickerswitwe nicht erreichen würde.
    Matthäas Weg folgend, bog auch sie nach links in die Zwerchgasse ein.
    Wohlhabendere Handwerker und Händler wussten die Nähe zur Brotpforte zu schätzen, und ihre Häuser, Scheunen und Ställe flankierten die breite Gasse bis zum Stift Sankt Paulus. Solide Holzgebäude wechselten sich mit neuem Fachwerk ab, dazwischen gab es Obstbäume und kleine
Kräutergärten, die Durchgänge waren zumeist schmal, jedoch nur wenig verwinkelt.
    Nachdem Garsende einen breiten Steg überquert hatte, unter dem der in der Sommerhitze zum Rinnsal verkümmerte Eisbach müde plätscherte, sah sie hinter den Häusern zu ihrer Rechten die Türme von Sankt Rupert und Sankt Paulus aufragen.
    Kurz darauf hatte sie die Schwertfegergasse erreicht.
    Hier sah das Bild der Stadt anders aus. Strohgedeckte Hütten, morsche Scheunen und schiefe Verschläge lösten das Fachwerk ab. Die Fassaden der Häuser und Hütten standen dicht an dicht, und unzählige Nischen und Durchlässe führten in Winkel, in die kaum je ein Lichtstrahl fiel. Ein durchdringender Geruch nach Kohl und Zwiebeln mischte sich mit dem Gestank von Abfällen, Kot und Urin, die wie überall in der Stadt auch hier den Boden zierten. Die enge Gasse war belebt, und ein allgegenwärtiges Klopfen und Hämmern auf Holz und Metall, lärmende Stimmen und Kindergeschrei drang aus den Hütten und hinter den verwinkelten Durchgängen hervor.
    Ihr Handwerk hatte Garsende bereits in einige der Hütten geführt. Die meisten Leute kannten sie und schienen sich über ihr Tun nicht zu wundern, als sie sich an Holzstapeln, Kübeln, Säcken, Karren und Misthaufen vorbei in die verwinkelten Durchlässe zwängte, um in jede noch so kleine Ecke zu spähen.
    Einige jedoch fühlten sich durch ihr Eindringen offenkundig gestört. Ratten, Mäuse und andere Wesen huschten am Saum ihres Gewands vorbei, und eine einäugige Katze ergriff verstört die Flucht, als die Heilerin ein schmutzstarrendes Sacktuch anhob, um zu sehen, was sich darunter befand. Ein baumlanger Knecht vor einer Scheune empfahl ihr knurrend, auf der Stelle zu verschwinden,
eine Magd drohte ihr empört mit einem Besen, weil sie die Hühner aufgescheucht hatte, und nur ums Haar entkam sie einem Köter, der mit bösartig gefletschten Lefzen den winzigen Hof hinter einem Schuppen verteidigte.
    Als Garsende das Haus der Kesselflickerswitwe in der Mitte der Gasse erreichte, war ihr langer Zopf in Auflösung begriffen und ihr Gewand von oben bis unten mit Spinnweben, Staub und Schmutz bedeckt. Doch von Matthäa hatte sie nicht die geringste Spur gefunden.
    Wie bei vielen der Häuser lag auch der Eingang zum Haus des Kesselflickers nicht zur Gasse hin. Garsende musste sich erneut durch einen engen Durchlass winden, der sich zu einem kleinen freien Platz hinter der Hütte öffnete. Das Häuschen, ein Hühnerverschlag und die Rückseite einer Scheune begrenzten den winzigen Hof, in dem ein staubbedeckter Apfelbaum stand. Garsende klopfte an die niedrige Tür der Hütte.
    Ein Weib, den Rücken von Arbeit und Mühsal gebeugt, öffnete und blinzelte Garsende aus alterstrüben Augen an. Als sie die Heilerin erkannte, verzog sie abweisend das Gesicht.
    »Wie oft soll ich’s noch sagen: die Burggräfin, die ist niemals nicht da gewesen«, schnarrte sie unwillig. »Und wenn Ihr wegen meines Diethold gekommen seid, sag’ ich’s Euch lieber gleich, hier gibt’s nämlich nichts für Euch zu heilen, geschweige denn was zu holen.«
    Garsende runzelte die Stirn. »Das ist es nicht, was mich her –

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