Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
Kämmerer zurück. »Der Mantel der Burggräfin wurde am Flussufer gefunden. Welchen Beweises bedarf es noch, dass sie ertrunken ist?«
»Er kann aber unmöglich dort gelegen haben!«, rief sie. »Wenn Ihr Euch den Stoff nur anschauen wolltet, würdet Ihr das ebenfalls erkennen.«
»Da gibt es nichts zu erkennen«, erklärte Pothinus, offenkundig gereizt. »Wie ich dir bereits erläutert habe, fand ein Fischer den Umhang am Ufer und hat ihn mir übergeben, wie es sich gehört. Ich habe mich höchstselbst mit meinen Brüdern an Ort und Stelle begeben, um mich zu vergewissern, dass die Burggräfin nicht womöglich verletzt im Gesträuch liegt. Wir fanden sie nicht, daher muss sie ertrunken sein. Und mehr gibt es dazu nicht zu sagen. «
Er schob die Pforte zum Domstift ein Stück zu, um anzudeuten, dass die Unterredung beendet sei.
»Und wenn der Fischer nun gelogen hat?«, warf Garsende hastig ein.
»Bei allen Heiligen, Weib!« Pothinus rollte die Augen. »Warum sollte er?«
»Das weiß ich nicht. Man muss ihn befragen. Ich flehe Euch an, Bruder, hört auf mich. Die Burggräfin kann nicht am Fluss gewesen sein.«
»Genug jetzt, hörst du?«, rief Pothinus ungehalten, die Pforte um eine weitere Handbreit schließend.
Mühsam hielt Garsende an sich und schluckte die scharfe Bemerkung hinunter, die ihr auf der Zunge lag.
»Dann lasst mich doch zumindest die Leute des Bischofs fragen, die sich aus freien Stücken erboten haben, bei der Suche zu helfen«, bat sie stattdessen.
Bruder Pothinus schüttelte den Kopf. »Seine Eminenz wird niemandem gestatten, seine Zeit sinnlos zu verschwenden. «
»Aber der Bischof ist auf der Jagd, Ihr seid es, der entscheidet. «
»Und ich entscheide ebenso wie Seine Eminenz.«
Garsende verlor die Geduld. »Dann erklärt Ihr dem Burggrafen von Worms, wieso Euch die Einkünfte der Stadt mehr gelten als das Leben seines Weibes und seines Erben! «, sagte sie schneidend.
Der Kämmerer stieß ein empörtes Schnauben aus. Mit einem »Du vergisst dich, Drude!« warf er ihr die Pforte endgültig vor der Nase zu.
Für einen Augenblick starrte die Heilerin wütend auf die verschlossene Tür des Domstifts, dann wandte sie sich niedergeschlagen ab. Während sie den Domplatz überquerte und durch das Tor der Bischofspfalz auf den Pfalzhof trat, zerbrach sie sich den Kopf, was sie nun tun sollte. Der überwiegende Teil der Bevölkerung von Worms stand auf irgendeine Weise in den Diensten des Bischofs, und während seiner Abwesenheit, der seines Vogts und des Burggrafen, hatte der Kämmerer in der Stadt das Sagen. Auch
die freien Bürger würden die Suche nach der Burggräfin nicht fortsetzen, sobald die Nachricht die Runde gemacht hätte, dass sie ertrunken sei.
›Wenn doch nur Bruder Goswin hier wäre‹, dachte Garsende und stieß ein tiefes Seufzen aus.
Zwar war ihr bewusst, dass der Scholasticus des Domstifts ihrem Handwerk mit einigem Argwohn gegenüberstand, doch war er schon lange Jahre mit dem Burggrafen freundschaftlich verbunden und hätte Garsende gewiss um Bandolfs Willen zugehört.
Aber Bruder Goswin war nicht in der Stadt. Er sei vor einigen Tagen nach Köln aufgebrochen, um den neu ernannten Propst des Domstifts nach Worms zu geleiten, hatte man ihr mitgeteilt, als sie am Tag von Matthäas Verschwinden im Domstift nach ihm gefragt hatte.
›Was kann ich tun?‹, grübelte Garsende.
Bedrückt blieb sie stehen und warf einen Blick über den belebten Pfalzhof.
Hier hatte der Alltag bereits wieder Einzug gehalten. Pilger strebten der Bischofspfalz zu, Hörige beluden einen Karren mit Fässern, eine Magd mit einem Korb voller Wäsche auf dem Arm stöhnte laut über die drückende Hitze, Kinder jagten kreischend einem Köter nach, und am Brunnen inmitten des Platzes schienen sich einige Edle mit ihren Damen die Zeit mit Klatsch und Tändeleien zu vertreiben.
Garsende schüttelte den Kopf.
»Ich werde selbst nach ihr suchen«, sagte sie so laut, dass der klein gewachsene Sakristan des Domstifts, der just an ihr vorüberging, erschrocken stehen blieb.
»Was hast du gesagt?«, erkundigte sich Bruder Arbogast mit einem verwirrten Blinzeln.
Garsende starrte den Dombruder an, ohne ihn richtig
wahrzunehmen. »Ich werde selbst nach ihr suchen«, wiederholte sie energisch und ließ ihn stehen.
Verblüfft schaute der kleine Sakristan hinter ihr her.
Obgleich Bandolfs Hausmeier und auch andere die Wege um die Schwertfegergasse bereits abgesucht hatten, entschied
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