Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
dafür verantwortlich machen, so viel ist gewiss«, sagte er endlich. »Dennoch«, er seufzte schwer, »so berechtigt deine Besorgnis auch ist und so sehr ich sie teile, sie beruht nur auf Vermutungen. «
»Aber man muss doch etwas tun können!«, rief Joschua.
Der Anflug eines Lächelns glitt über das faltige Gesicht des Rabbi, als er den Kopf schüttelte, doch der Ausdruck seiner tief liegenden Augen blieb ernst. »Im Augenblick scheint es mir wichtig, dass die Geheimhaltung über Jehudas Auftrag gewahrt bleibt. Alles, was ich dir raten kann, ist: Geh zum Kämmerer des Domstifts und berichte ihm, was Batyas Knecht gesehen hat. Womöglich kannst du ihn veranlassen, die Suche nach der Burggräfin fortzusetzen. Würde man ihre Leiche finden, könnte es vielleicht auch Hinweise darauf geben, wie sie gestorben ist. Das würde uns weiterhelfen.«
Unduldsam warf Joschua die Arme hoch. »Wie soll uns das denn weiterhelfen?«
»Wüsste man durch Augenschein, dass die Burggräfin tatsächlich ermordet wurde, bliebe dem Kämmerer nichts anderes übrig, als die Suche nach dem Täter aufzunehmen«, erklärte Rabbi Jacob. »Und dann wäre es die rechte Zeit, vom Auftrag deines Vaters zu sprechen, um eine Verbindung
der Ereignisse in den Gedanken des Kämmerers herzustellen. Bis dahin aber scheint mir Geduld die beste Tugend zu sein.«
Voll düsterer Ahnung zog Joschua die Brauen zusammen. »Und wenn der Kämmerer Pothinus zu dem Schluss kommt, dass die Beobachtungen eines jüdischen Knechts nichts zu bedeuten haben?«
»Dann werden wir die Angelegenheit mit den Ältesten besprechen«, meinte Rabbi Jacob.
Seufzend gab sich Joschua geschlagen.
Der Rabbi legte eine faltige Hand auf seine Schulter. »Dein Geist ist aufgewühlt. Ebenso der meine. Lass uns Trost im Gebet finden.«
Das Gebet hatte Joschua erfrischt, der Besuch im Domstift bewirkte jedoch das Gegenteil. Seine Befürchtungen hatten sich bestätigt. Der Kämmerer war nicht geneigt, die Suche nach der Burggräfin fortzusetzen. »Was denkt Ihr Euch? Wie soll man denn den halben Fluss absuchen, um eines Leichnams habhaft zu werden?«, hatte er unwirsch gefragt. »Wenn es dem Allmächtigen gefällt, wird die sterbliche Hülle der Burggräfin irgendwo flussabwärts ans Ufer gespült werden. Falls nicht …« Und mit Pothinus’ Schulterzucken war Joschua entlassen worden.
»Das Schlimmste war, dass er mir überhaupt nicht richtig zuzuhören schien«, berichtete Joschua düster seinem Weib. » Ich habe bereits der Heilerin erklärt, dass in der Angelegenheit der Burggräfin alles getan worden ist, was zu tun war, und ob es nun ein Umhang ist, der zu reinlich erscheint, um am Fluss gelegen haben zu können, wie die Drude mir in den Ohren liegt, oder die diffusen Beobachtungen eines Knechts, wird an meiner Meinung nichts ändern«, zitierte er den Kämmerer.
Rifka fuhr auf. »Was hat der Kämmerer mit der Bemerkung über den Umhang gemeint?«, fragte sie. Ihre Stimme klang erregt.
Gleichmütig zuckte Joschua mit den Schultern.
Rifka griff nach seinem Arm. »Aber verstehst du nicht?«, rief sie. »Wie es scheint, hat auch die Heilerin Zweifel, was den Tod der Burggräfin betrifft. Offenbar hat auch sie versucht, den Kämmerer zu überzeugen, die Suche nach ihr fortzusetzen.«
»Was soll uns das nützen?«, argumentierte er. »Auch wenn es so sein mag, war ihr Versuch ebenso wenig wie meiner von Erfolg gekrönt.«
»Nein, das wohl nicht«, gab sie zu.
Abwesend betrachtete Joschua ihren gesenkten Kopf. Rifkas Einwurf machte ihn nachdenklich. Was konnte die Heilerin veranlasst haben, zu zweifeln?
»Was weißt du über die Heilerin des Burggrafen?«, fragte er plötzlich.
Rifka sah neugierig zu ihm auf. »Willst du sie aufsuchen? «
»Ich bin mir nicht sicher, ob das hilfreich wäre«, antwortete er.
Eine Weile schien sie zu überlegen. »Allgemein spricht man gut über sie in der Stadt. Hin und wieder habe ich zwar auch abfällig über sie reden hören, doch scheint das mehr ihr Leben in der Einsamkeit des Waldes zu betreffen und nicht ihr Handwerk. Darauf soll sie sich gut verstehen«, sagte sie schließlich. »Die Burggräfin war ihr jedenfalls sehr zugeneigt, heißt es, und offenbar hält auch der Burggraf große Stücke auf sie, sonst würde er ja kaum gestattet haben, dass sie während seiner Abwesenheit in seinem Haus lebt.«
Das klang vielversprechend, dennoch …
»Was kann es schaden, mit ihr zu sprechen?«, fragte Rifka.
»Womöglich wird sie
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