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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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umtun können. Doch nein! Weil niemand das Maul aufgemacht hatte, war kostbare Zeit vergangen, und Hinweise, die ihm womöglich Aufschluss über Adelbalds Mörder hätten geben können, mochten längst beiseitegeschafft worden sein.
    »Verdammnis!«, stieß er wutschnaubend hervor. »Verdammnis! Wo ist diese gottverfluchte Höhle?«

    »Nicht weit von hier«, beeilte sich Bruder Wynstan zu versichern. »Wenn man auf den Karrenweg nach Egininkisrod einbiegt, noch einige fünfzig Schritte. Zur Rechten des Wegs ist eine Mulde, und dort befindet sich der Eingang.«
    »Führe mich dorthin«, knurrte der Burggraf mit finster zusammengezogenen Brauen. Der Hunger war ihm vergangen.

KAPITEL 10
    Worms, 6. Tammus im Jahr 4826
nach Erschaffung der Welt
(2. Juli im Jahre des Herrn 1066)
     
    E s war früher Nachmittag, als Joschua in sein Vaterhaus zurückkehrte. Wie auch andere Männer aus der jüdischen Gemeinde hatte er sich an der Suche nach der Burggräfin beteiligt, obwohl sie an einem Schabbat begonnen hatte.
    »Der Schabbat ist euch gegeben, und nicht ihr dem Schabbat«, hatte Rabbi Jacob ben Jakar erinnert. Ein Menschenleben war wichtiger als die Heiligung des Schabbat.
    Doch nun hatte die Nachricht die Runde gemacht, dass die Burggräfin unweit des Rheintors ertrunken sei und der Kämmerer die Suche einstellen lasse. Betroffen waren die Helfer auseinandergegangen, und auch Joschua hatte sich auf den Heimweg gemacht.
    Tief in Gedanken öffnete er die Tür zu seinem Heim. Die Kunde vom Ableben der Burggräfin betrübte ihn, doch mehr noch beunruhigte ihn die Botschaft seines Vaters, die er vor drei Tagen erhalten hatte. Seit der Bote aus dem Harudengau eingetroffen war, grübelte er über die wenigen Zeilen nach, die der Vater ihm geschickt hatte.
    Auch Rifka war beunruhigt, das spürte er, obgleich sie ihre Sorge vor ihm zu verbergen trachtete. Er sah es am raschen
Flattern ihrer langen Wimpern, am schwachen Zucken ihrer Mundwinkel, wenn sie lächelte, und Joschua fand, dass die Anzeichen ihrer Besorgnis ihm ebenso zu schaffen machten wie die Botschaft selbst. Er war daran gewöhnt, nach dem verborgenen Sinn in einer Schrift zu suchen und Zeilen in Fragmente zu zerlegen. Hin und wieder führte solches Tun dazu, die Dinge schwärzer zu sehen, als sie waren. Sein Weib hingegen schien die Dinge auf eine andere Weise zu betrachten, und war sie beunruhigt, gab es meistens auch Anlass dazu.
    Er fand Rifka über eine Näharbeit gebeugt auf der Bank sitzen, die in die Wand der Stube eingelassen war. Als Joschua eintrat, hob sie den Kopf.
    »Du bist schon zurück?«, fragte sie verwundert. Dann erhellte sich ihr Gesicht. »Ihr habt die Burggräfin gefunden.«
    Mit einem Seufzen schüttelte er den Kopf. »Ein Herold des Kämmerers hat kurz nach der Mittagsstunde auf dem Marktplatz verkündet, dass die Suche eingestellt sei. Man hat den Mantel der Burggräfin am Flussufer gefunden. Offenbar ist sie dort entlanggegangen, ausgerutscht und in den Fluss gefallen.«
    »Wie furchtbar.« Betroffen sah sie ihn an.
    Er nickte, während er sich auf der Bank neben ihr niederließ. Rifka sah ihn noch immer an, als erwarte sie, dass er noch etwas sagen würde, doch seine Gedanken erschienen ihm zu ungeordnet, um sie mitzuteilen. Mit dem Rücken an die Wand gelehnt, schloss er die Lider.
    Eine Weile ließ Rifka ihn gewähren, dann hörte er sie fragen: »Worüber denkst du nach?«
    Er öffnete die Augen und betrachtete nachdenklich ihre ernsten Züge. »Du musst mich für wirr halten, aber mir will nicht aus dem Kopf gehen, wie eigenartig die Dinge miteinander verknüpft erscheinen.«

    Zu seiner Überraschung lächelte sie. »Du meinst die Botschaft deines Vaters und das Verschwinden der Burggräfin? «
    Joschua nickte. »Vater wird mit einem geheimen Auftrag nach Sachsen geschickt, just dorthin, wo sich der Burggraf von Worms derzeit aufhält«, zählte er auf. »Nun erhalten wir eine Botschaft von ihm, dass unvorhergesehene Ereignisse die Angelegenheit verzögern würden und er um unsere Sicherheit besorgt sei. Weiterhin schreibt er, dass der Burggraf von Worms darin verstrickt sei. Und kurz darauf kommt dessen Gattin zu Tode.« Langsam schüttelte er den Kopf. »Kann das ein Zufall sein?«
    »Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, gestand sie.
    Ärgerlich kniff Joschua die Augen zusammen. »Ich wünschte, Vater hätte sich deutlicher ausgedrückt. So wissen wir nichts. Weder, von welchen Ereignissen Vater spricht, noch, inwiefern der

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