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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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durch die Pforte schlüpfte. Sein schlanker Leib war in einen schlichten, schwarzen Kaftan gehüllt, der ihm bis über die Knöchel reichte. Die runde, flache Kopfbedeckung aber, die er trug, war mit aufwendigen Stickereien geschmückt und zeugte von Wohlstand.
    Er schien in Gedanken versunken. Erst als die Heilerin näher kam, sah er auf und warf ihr aus großen dunklen Augen einen abschätzenden Blick zu, bevor er höflich den Kopf neigte.
    »Schalom«, begrüßte er sie. »Mein Name ist Joschua ben Jehuda. Ich bin der Sohn des Kaufmanns Jehuda ben Eliesar zu Worms. Seid Ihr die Heilerin des Burggrafen?«
    Ärgerlich schüttelte Garsende den Kopf. »Ich bin die Heilerin Garsende, ja, aber mein Handwerk steht jedermann zur Verfügung, nicht nur dem Burggrafen«, erwiderte sie, schärfer als beabsichtigt.

    Zu ihrer Überraschung errötete er, was sein schmales Gesicht noch jünger und verletzlich erscheinen ließ. Wären da nicht der ungestutzte Bart gewesen, der sein halbes Gesicht verdeckte, und die eigentümlich gedrehten Schläfenlocken, die ihm über die Ohren baumelten, hätte er einen hübschen jungen Burschen abgegeben, dachte Garsende.
    Er räusperte sich. »Ich wollte Euch nicht zu nahetreten. Es verhält sich nur so, dass …« Er verstummte, senkte den Kopf und schien nicht mehr weiterzuwissen.
    Garsende runzelte die Stirn. Er sei der Sohn eines jüdischen Kaufmanns, hatte er gesagt. Bei allen Heiligen! Wenn er ihr die Waren seines Vaters feilbieten wollte, hatte er den denkbar schlechtesten Zeitpunkt dafür gewählt. Dennoch, die Höflichkeit gebot, dass sie ihm zumindest die Gastfreundschaft des Burggrafen anbot.
    »Wollt Ihr nicht in die Halle kommen und eine Stärkung zu Euch nehmen?«, fragte sie und machte eine einladende Geste in Richtung Pforte.
    Rasch, zu rasch, wie sie fand, schüttelte er den Kopf. »Das ist freundlich von Euch, aber ich würde es vorziehen, unter vier Augen …« Wieder verstummte er.
    Das unangenehme Schweigen dehnte sich.
    Herrje, konnte er nicht endlich sagen, was er von ihr wollte? Hatte sie doch nicht den ganzen Tag Zeit, hier draußen auf der Gasse zu stehen und Maulaffen feilzuhalten.
    »In welcher Angelegenheit …« – »Es handelt sich um …«, begannen schließlich beide zugleich.
    Garsende unterdrückte ein Seufzen, während der junge Jude den Kopf schüttelte und sich von ihr abwandte. »Verzeiht«, murmelte er. »Ein Irrtum.«
    Sein merkwürdiges Benehmen erweckte ihren Argwohn. Hastig trat sie einen Schritt näher. »Ihr seid doch nicht
zweimal wegen eines Irrtums hier vorstellig geworden«, sagte sie scharf. »Sagt mir doch, was Euch zu mir geführt hat.«
    Er schien zu zögern. Wieder warf er ihr einen forschenden Blick zu, dann räusperte er sich erneut. »Ich kam in einer Angelegenheit, die das Verschwinden der Burggräfin betrifft.«
    Garsende spürte, wie das Blut aus ihren Wangen wich.
    ›Süßer Jesus! Das Lösegeld‹, schoss es ihr durch den Kopf. Die Juden hatten Matthäa entführt! Von Zorn und Angst gepackt, griff sie heftig nach Joschuas Arm.
    »Wo ist sie?«, schrie sie ihn an. »Was habt Ihr mit ihr gemacht?«
    »Was denkt Ihr?« Eine steile Falte erschien auf der Stirn des jungen Juden. »Ich habe gar nichts mit ihr gemacht!«
    Ein paar Leute auf der Gasse waren stehen geblieben und starrten das ungleiche Paar an.
    Aufgebracht schüttelte Garsende seinen Arm. »Sagt mir auf der Stelle, wo sie ist!«
    »Ich weiß nicht, wo sich die Burggräfin befindet. Einer unserer Knechte hat die Burggräfin am Tag ihres Verschwindens gesehen. Darum bin ich gekommen«, erklärte er kühl und warf einen beziehungsvollen Blick auf ihre Hand, die seinen Arm umklammert hielt.
    Nur allmählich drangen seine Worte in Garsendes aufgewühltes Gemüt. Ihr Arm sank kraftlos herab. »Aber Ihr sagtet doch …« Ungläubig schüttelte Garsende den Kopf. Er log. Matthäa lebte! Die Juden hatten sie, wollten ein Lösegeld, und … Er musste lügen! Für einen Augenblick klammerte sich Garsende an die winzige Hoffnung, die der Gedanke mit sich brachte. Mit zusammengezogenen Brauen starrte sie Joschua ben Jehuda an.
    Der junge Jude hatte die Schultern gestrafft und erwiderte
ihren Blick in stolzer Zurückhaltung. Wachsamkeit schien in seinen dunklen Augen zu liegen, und womöglich auch eine Spur Unmut, doch Falschheit fand sie nicht. Wenn er die Wahrheit sagte, dann … Garsende stieß ein tiefes Seufzen aus.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass einige der Leute näher

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