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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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gekommen waren und Joschua ben Jehuda ebenso argwöhnisch anstarrten, wie sie es tat.
    Widerstrebend löste sie ihren Blick und mühte sich um ein Lächeln.
    »Hier lässt es sich schlecht reden«, sagte sie leise. »Bitte folgt mir hinein.«
    Nach kurzem Zögern nickte er. Schweigend folgte er Garsende durch die Pforte, doch am Brunnen im Hof des Burggrafen blieb er stehen. »Es scheint mir klüger, würden wir solche Dinge nicht unter den Augen der Hauseigenen bereden«, meinte er.
    Garsende drehte sich zu ihm um. Für einen Augenblick sah sie ihn stirnrunzelnd an. Dann nickte sie zustimmend und fragte: »Ihr habt von einem Knecht erzählt, der die Burggräfin gesehen hat, an jenem Tag, als sie verschwand? Wo ist das gewesen?«
    Mit einem nachdenklichen Ausdruck musterte er sie. »Der Knecht eines Getreidehändlers aus der Sterngasse hat sie an jenem Morgen an der Ecke eines Durchlasses in der Schwertfegergasse gesehen«, erwiderte er schließlich.
    Heilige Jungfrau! Konnte das bedeuten, dass der Kesselflicker gelogen hatte, dass Matthäa doch in seinem Haus gewesen war, dass er womöglich mit ihrem Verschwinden zu tun hatte?
    Erregt trat Garsende einen Schritt auf ihn zu. »Ist das auch wirklich wahr?«
    »Oi Gwalt«, seufzte Joschua. Trocken fügte er hinzu:
»Nein, ich hatte heut’ einen Tag voller Muße, darum kam ich her, um Euch Märchen zu erzählen.«
    Verdutzt runzelte sie die Stirn.
    »Stuss! Natürlich ist es wahr!«, rief er mit einer ungeduldigen Geste. Garsende lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, doch dann musste sie plötzlich lachen.
    »Das habe ich wohl verdient«, gab sie zu. »Ab und an ist meine Zunge schneller, als mir lieb ist. Ich bedaure, wenn ich Euch gekränkt habe.«
    Zunächst schwieg er, als würde er sich seine Antwort sorgsam überlegen. »Der Tod der Burggräfin geht Euch zu Herzen. Das verstehe ich«, sagte er schließlich ernst.
    Der Tod der Burggräfin … Sie schluckte. Mehr als ein Nicken brachte sie nicht zustande. Für eine Weile herrschte angespanntes Schweigen, während er seinen Blick aufmerksam über den Hof des Burggrafen schweifen ließ und Garsende sich den Kopf zerbrach, wie sie das unangenehme Schweigen beenden könnte.
    Endlich räusperte sie sich: »Könntet Ihr mir denn die Stelle zeigen, wo jener Knecht die Burggräfin gesehen hat?«, fragte sie.
    Joschuas wachsamer Blick kehrte zu ihr zurück, und mit offenkundigem Bedauern schüttelte er den Kopf. »Das würde Euch nichts nützen. Ich ließ mich gestern von dem Knecht dorthin führen. Aber es handelt sich um einen ganz gewöhnlichen Durchlass«, erläuterte er. »Sobald ich davon hörte, habe ich den Kämmerer aufgesucht, um ihm davon zu berichten. Wir hofften, er würde die Suche nach der Burggräfin fortsetzen, aber das tat er nicht.«
    »Ich möchte dennoch, dass Ihr mich zu der Stelle führt. Ich will mich mit eigenen Augen davon überzeugen, ob es nicht womöglich einen Hinweis gibt, wohin …« Garsende biss sich auf die Lippe und verstummte.

    »Wie Ihr wünscht. Ich schicke Euch morgen den Knecht, dann kann er Euch …«
    »Je eher, desto besser«, unterbrach sie ihn. »Könntet Ihr mich nicht gleich dort hinführen?«
    »Jetzt? Sofort? Aber es wird bald dunkel werden«, wandte er ein.
    Ungeduldig schüttelte Garsende den Kopf. »Das Vesperläuten liegt noch nicht so lange zurück. Es wird noch geraume Zeit hell genug sein. Und die Schwertfegergasse liegt auf dem Weg zum jüdischen Viertel.«
    Zweifelnd warf Joschua einen Blick in den Himmel, dann hob er die Schultern. »Nun gut, wenn Ihr darauf besteht. «
     
    Schon zur Mittagsstunde waren die letzten Wolken am Himmel verschwunden gewesen, und die heiße Sommersonne hatte den morastigen Boden zu trocknen begonnen. Dennoch war der Weg durch die Gassen beschwerlich. Das Unwetter hatte Äste und Zweige von den Bäumen gerissen, Stroh von den Dächern geweht und den Unrat durcheinandergewirbelt, den die Menschen auf die Gassen warfen. Übelriechende Dämpfe stiegen von den noch mit schlierigem Nass gefüllten Mulden im Boden auf.
    Die Heilerin und der junge Jude gingen schweigend nebeneinander her, den Blick zu Boden gerichtet, um abgebrochenen Ästen und anderen Hindernissen auszuweichen. Während Garsende überlegte, welche Bedeutung sie der Neuigkeit beimessen durfte, dass Matthäa in der Schwertfegergasse gesehen worden war, schien Joschua ben Jehuda in eigene Gedanken versunken zu sein. Nach einer Weile sah Garsende auf und warf ihrem

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