Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
doch«, flüsterte er, offenkundig erregt.
»Ich verstehe die Sprache nicht«, gab sie ebenso leise zurück.
»Aber ich verstehe sie«, flüsterte Joschua. »Der Mann, den sie Guillaume nennen, spricht von einem Auftrag in Sachsen. Von der Übergabe eines Kleinods, die fehlgeschlagen ist. Ragnold, der Mann mit dem grauen Haar, macht dem Welschen Vorwürfe, weil er sich von einer Jüdin erwischen ließ, und er, Ragnold, deshalb einen anderen Mann dazu abstellen musste, das Haus des Juden zu beobachten.« Noch leiser fügte er hinzu: »Er muss mein Weib meinen. Und das Haus meines Vaters.«
Allmächtiger! Konnte das bedeuten, dass sie doch am rechten Ort waren? »Hat er auch etwas über die Burggräfin gesagt?«, wisperte Garsende aufgeregt.
Joschua schüttelte den Kopf und bedeutete ihr, still zu sein. Widerstrebend nickte sie und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den Männern zu.
»… hat genügend Tumult in der Stadt verursacht«, hörte sie den jungen Winand quengeln.
Das Scheunentor knarrte, der Lichteinfall von draußen verschwand, und die Geräusche aus dem vorderen Teil der Scheune waren verstummt. Für einen Augenblick herrschte tiefe Stille.
»Das muss uns nicht mehr bekümmern«, unterbrach Ragnolds laute Stimme die Stille, und gleich darauf hörte Garsende auch Schritte, die näher kamen, während Ragnold weitersprach: »Der Kämmerer hat die Suche eingestellt, und in der Stadt geht alles wieder seinen Gang wie gewohnt.«
Ihr Gesicht an das raue Tuch der Säcke gepresst, wagte Garsende kaum, sich zu rühren. Welche andere Suche als die nach Matthäa konnte er meinen!
»Schön und gut«, bemerkte Winand in ihre Gedanken. »Und wie soll es nun weitergehen?«
» Nous devrions nous debarrasser de la femme du comte. Il est trop dangereux de laisser cette garce en vie «, ließ sich der Welsche vernehmen.
Erneut sog der junge Jude an ihrer Seite scharf den Atem ein, doch Garsende achtete nicht auf ihn.
»Davon würde ich abraten«, hörte sie eine kühle Stimme sagen und starrte ungläubig in das bärtige Gesicht des hochgewachsenen Mannes, der aus dem Schatten zwischen den Stapeln in den Lichtkreis der Lampen trat.
KAPITEL 13
E r hatte sich verändert.
Lothar von Kalborn war stets schlankwüchsig gewesen, nun aber wirkte er geradezu hager. Der dichte Bart in seinem vormals sorgsam barbierten Gesicht schien seine kantigen Züge eher hervorzuheben als zu mildern und verbarg den sinnlichen Schwung seiner Lippen.
Offenbar hatte das Leben als Vogelfreier seinen Tribut von ihm gefordert.
Nur die Haarsträhne, die ihm über die Stirn fiel, und das spöttische Lächeln, das in seinen Mundwinkeln nistete und sich in den dunklen Augen widerspiegelte, waren Garsende schmerzlich vertraut und versetzten ihrem Herzen einen Stich. Einen Lidschlag lang sah sie sich selbst, wie sie jene Haarsträhne zärtlich zurückstrich.
Ein wütender Laut schlüpfte über ihre Lippen. Erschrocken presste sie sich eine Hand vor den Mund, während sie spürte, wie Joschua neben ihr eine hastige Bewegung machte, als wolle er sie zurückhalten. Rasch schüttelte sie den Kopf, um ihn zu beruhigen. Niemand schien das Geräusch gehört zu haben. Nur Guillaume, der Welsche, hatte flüchtig die Stirn gerunzelt und seinen Blick für einen Moment in ihre Richtung schweifen lassen, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder Ragnold zuwandte, der den Neuankömmling mit einem geringschätzigen Schnauben begrüßt hatte.
» Tôt ou on decouvrera que la vieille chapelle est toujours
en activité. C’est de plus en plus dur de calmer cette femme. Je repète: Tant qu’elle est en vie elle sera un danger pour notre projet «, sagte der Welsche. Seine Stimme klang beharrlich.
»Guillaume hat recht«, stimmte Ragnold zu. »Wir müssen sie aus dem Weg schaffen.«
Tief beunruhigt drehte Garsende den Kopf zu Joschua. Ihre Lippen formten: »Sie?«
Im Gesicht des jungen Juden sah sie ihre Besorgnis widergespiegelt, doch mit dem Finger an den Lippen schüttelte er den Kopf. Dann wies er mit dem Kinn nach vorne.
Garsende folgte seinem Blick und sah, wie Lothar sich langsam ihrem Versteck näherte. Mit dem Rücken zu ihr blieb er stehen, so dicht bei dem Stapel, dass sie nur ihre Hand hätte ausstrecken müssen, um ihn zu berühren. Für einen Augenblick hatte sie das Gefühl, als bliebe ihr Herz stehen, nur um im nächsten Moment so heftig zu schlagen, dass sie überzeugt davon war, er müsste es hören.
Offenbar hatte Lothar etwas gesagt, das ihr
Weitere Kostenlose Bücher