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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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sie und wies die
Schwertfegergasse hinauf in Richtung der Gaden. »Vom übernächsten Seitengässchen aus gelangt man vielleicht zur Rückseite der Scheune.«
    Der junge Jude antwortete nicht. Stattdessen hob er den Kopf und starrte in den frühabendlichen Himmel hinauf. Garsende folgte seinem Blick.
    Es hatte noch nicht zur Komplet geläutet, doch die Sonne stand schon tief über den Dächern. Bald würde ihr Licht gänzlich verschwinden. Gerüche nach Kohlsuppe, Fisch, gebackenem Brot und Gebratenem begannen den Gestank des Unrats zu überlagern. Das Klappern der Räder, die Laute der Tiere, Geschrei, Lachen und Gesang, all der Lärm in den Gassen der Stadt klang jetzt gedämpft und wie ermattet vom vollbrachten Tagewerk ihrer Bewohner.
    Die Stadtleute strebten heimwärts, Fremde dem Ort zu, wo sie ihr nächtliches Lager aufschlagen würden. Zwei Stiftsherren eilten mit flatternder Robe an der Heilerin und dem Juden vorbei in Richtung Sankt Paulus, vermutlich in Sorge, die Kirche noch rechtzeitig zur Komplet zu erreichen. Mit geschürzten Gewändern brachten die Frauen Ziegen, Hühner, Schweine und Gänse in ihre Verschläge zurück, die tagsüber im Unrat der Gassen gewühlt oder sich auf den Wiesen außerhalb der Stadt getummelt hatten. Bauern und Knechte kehrten von den Äckern zurück, und die Armen strebten den Stiften zu, um zu ergattern, was immer von der abendlichen Mahlzeit der Brüder übrig bleiben würde.
    Einen Augenblick überlegte Garsende, ob die Hauseigenen des Burggrafen sich wohl sorgen würden, wenn sie die abendliche Mahlzeit versäumte, schob den Gedanken jedoch rasch beiseite. Dann warf sie einen Blick auf Joschua. Woran mochte er denken? »Ihr müsst mich nicht begleiten«, sagte sie.

    Als kehre er aus tiefen Gedanken zurück, wandte er sich ihr langsam zu. »Lasst uns gehen, solange es noch hell genug ist«, sagte er nur.
     
    Die Seitengasse, die dem Durchlass zum Haus des Kesselflickers folgte, unterschied sich kaum von den anderen Gässchen. Garsende und Joschua folgten den Ecken und Winkeln bis zu einem schmalen, hohen Schuppen, an dem der Durchschlupf eine scharfe Biegung nach links machte.
    Joschua, der vorausgegangen war, blieb stehen. »Ich höre ein Plätschern«, sagte er leise.
    »Der Eisbach«, gab Garsende zurück. Auch sie hatte die Stimme unwillkürlich gesenkt. »Hinter diesem Schuppen muss es sein.«
    Joschua spähte um die Ecke. »Ihr habt recht«, raunte er. »Ich sehe die Scheune. Da ist tatsächlich auch ein kleiner Einlass. Und wie es scheint, wird er nicht bewacht.«
    Garsende drängte sich an ihm vorbei, um ebenfalls um die Ecke zu schauen. Das Gässchen endete an der Rückwand der Scheune zu ihrer Linken. Andere Schuppen, Ställe und Verschläge standen hier so dicht beieinander, dass der Platz zwischen der Scheunenwand und der gegenüberliegenden Wand eines Stalls gerade ausreichte, um das niedrige Pförtchen zu öffnen. Mit einem raschen Blick auf die Fassaden ringsum stellte sie fest, dass es nirgendwo sonst eine Öffnung gab und der Raum zwischen den Gebäuden eben noch einer Maus Platz bieten würde. Man konnte den Einlass zur Scheune nur dann einsehen, wenn man wie Garsende und Joschua um die Ecke des Schuppens schaute.
    Der junge Jude schien demselben Gedankengang zu folgen wie Garsende. »Hierher verirrt sich sicher selten jemand«, bemerkte er.

    »Und darum ist die Pforte wohl auch unbewacht«, murmelte sie.
    Stand zwar kein Knecht vor dem Einlass, so war er aber mit einem schweren Balken verschlossen, der quer über dem Pförtchen lag. Mit vor Anstrengung zitternden Händen mühte Garsende sich vergebens ab, ihn anzuheben.
    »Lasst mich das machen«, raunte Joschua, schob sich an ihr vorbei und machte sich daran, den schweren Balken aus seiner Verankerung zu hieven, während Garsende neben ihm ungeduldig auf den Füßen wippte.
    Endlich war die Pforte offen. Dicht gefolgt von Joschua, duckte sich Garsende mit klopfendem Herzen unter dem niedrigen Türsturz durch und betrat die Scheune.
    Es war dunkel, doch das Tageslicht, das durch die offene Pforte ins Innere drang, ließ sie zahlreiche Stapel mit Säcken, Truhen und Kisten erkennen. Manche der Stapel reichten ihr bis zur Schulter, andere waren bis zu den Dachbalken aufgetürmt.
    Garsende stieß ein tiefes Seufzen aus. Der Jude hatte recht gehabt. Die Scheune schien lediglich als Lager genutzt zu werden.
    »Ich glaube nicht, dass die Burggräfin je hier war«, flüsterte Joschua neben ihr.
    Die

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