Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
schüttelte den Kopf. »Der Kaplan wird in Bälde zurückkehren. Es genügt, wenn sich der Reisige nach seiner Rückkehr an seine Fersen heftet.«
In den wenigen Tagen, die er krank auf seiner Bettstatt verbracht hatte, waren Aufgaben unerledigt geblieben, die Bandolf als Vogt einer im Bau befindlichen Burg zu erfüllen hatte. Die nächsten Stunden verbrachte er mit der Begutachtung seiner Bestallung und den Fortschritten, die beim Bau des Palas gemacht worden waren.
Es ging schon auf die Sext zu, als der Burggraf in seine behelfsmäßige Halle zurückkehrte, um sich mit einem Krug Bier zu stärken.
Während er seinen Becher Schluck um Schluck leerte, gab er sich müßigen Gedanken hin, die wie von ungefähr nach Worms zu seinem Heim und seinem Weib glitten. Mit jedem Tag, der verging, schien ihm Matthäa mehr zu fehlen, und je näher die Zeit ihrer Niederkunft rückte, um so mehr machte er sich Sorgen. Jede Geburt war mit Gefahren verbunden. Matthäa mochte die Niederkunft nicht überleben oder im Kindbett sterben. Das Kind konnte tot zur Welt kommen, oder verkrüppelt oder …
›Verdammnis!‹, fluchte Bandolf im Stillen. Warum musste er auch ausgerechnet jetzt auf einer halb fertigen Burg in diesem von Gott verlassenen Sachsen den unwillkommenen Vogt abgeben?
›Weil ich töricht genug gewesen war, mich in Hofintrigen einzumengen‹, gab er sich selbst die Antwort. Er
schnaubte und schwor im Stillen, sich nie mehr die Finger an Angelegenheiten zu verbrennen, die auch nur entfernt den Dunstkreis des Königs berührten.
Dann überlegte er, ob Heinrichs Zorn auf ihn mittlerweile so weit abgekühlt wäre, dass der König sich zu seinen Gunsten verwenden würde. Nun, Bandolf würde es darauf ankommen lassen müssen, falls dieser vermaledeite Abt nicht bald zurückkehrte und sich zugänglicher zeigen würde. Denn was hatte er bisher erreicht? Es war ihm nicht gelungen, auch nur in Prosperius’ Nähe zu gelangen, geschweige denn, mit ihm zu sprechen. Der Gaugraf glänzte mit Abwesenheit, und selbst wenn er Bandolf eine Audienz gewährt hätte, war es unsicher, ob er auch ein offenes Ohr für Bandolfs Anliegen gehabt hätte. Gebhard von Supplinburg war Sachse. Es war unwahrscheinlich, dass er dem Burggrafen des Königs allzu viel Liebe entgegenbrachte. Dasselbe galt für Tidread von Krähenburg und zweifellos auch für den Bischof von Halberstadt, zu dessen Diözese das Kloster Sankt Mauritius gehörte und der in seiner Eigenschaft als Oberhirte des Klosters die Entscheidung über Prosperius’ Schicksal treffen würde. Nur der König konnte gegen eine Entscheidung des Bischofs ein Veto einlegen. Doch angesichts der Unruhe im Reich und des angespannten Verhältnisses, das zwischen den Fürsten, der Kirche und dem König herrschte, war es mehr als fraglich, ob König Heinrich für einen abkömmlichen Burggrafen dem Beschluss des Bischofs von Halberstadt widersprechen würde.
Wie es schien, blieb Bandolf nichts anderes übrig, als die Meuchler zu finden, die Bruder Edmund und Bruder Adelbald auf dem Gewissen hatten, wenn er seinem unseligen jungen Schreiber aus der Klemme helfen wollte.
Der Burggraf seufzte. Wie, in aller Welt, sollte ihm das
gelingen, wenn niemand das Maul aufbekam, seine Fragen an einer Mauer des Schweigens abprallten und es im ganzen Harudengau offenkundig nur zwei Menschen gab, die geneigt waren, ihn zu unterstützen?
›Eine magere Kumpanschaft‹, dachte Bandolf verdrossen. Tidreads junge Gattin schien ihre eigenen Gründe zu haben, dem Burggrafen zu helfen, und solange er diese Gründe nicht kannte, wusste er auch nicht, inwieweit er ihren Worten Glauben schenken durfte. Bruder Wynstan hingegen half ihm, weil er sich seinem Freund aus Kindertagen noch immer verbunden fühlte. Doch in erster Linie war er Mönch und seinem Abt, seinem Kloster und seinen Gelübden verpflichtet.
Abwesend griff der Burggraf nach seinem Becher, fand ihn leer, und während er sich nach Abhilfe umsah, traf sein Blick auf Ingild, die bei der Kochstelle damit beschäftigt war, Grünzeug zu häckseln. Nachdenklich betrachtete er die faltenreichen Züge der Hausmagd, die wie stets einen verdrossenen Ausdruck zeigten.
Hatte Tidread sie wirklich geschickt, um in seiner Halle Augen und Ohren aufzusperren?
Bandolf runzelte die Stirn.
Ingild war schon vor seinem Eintreffen auf die Buchenburg gekommen, demnach konnte sich Tidreads Neugier kaum auf Bandolfs Person beziehen, ebenso wenig auf Prosperius und die
Weitere Kostenlose Bücher