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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Ereignisse im Kloster. Falls Tidread ihm also eine Laus in Gestalt der Magd in den Pelz gesetzt hatte, wem galt seine Aufmerksamkeit? Dem Vogt der Buchenburg? Einer anderen Person? Aus welchem Grund?
    Für einen Augenblick überlegte der Burggraf, ein eindringliches Wörtchen mit der griesgrämigen Magd zu wechseln, ließ es dann aber bleiben. Nein, wenn Tidread sie geschickt hatte, würde sie schweigen. Ihre Schritte und die
des Kaplans beobachten zu lassen, war der bessere Weg, um herauszufinden, was auf seiner Burg vor sich ging.
    Entschlossen schob der Burggraf die Gedanken an den sächsischen Burgherrn, die griesgrämige Magd und den saumseligen Kaplan beiseite. Er würde sich Gewissheit verschaffen, aber für den Moment hatte er Dringlicheres zu bedenken. Das Fieber hatte ihn für Tage außer Gefecht gesetzt, während sein junger Schreiber noch immer hinter der Mauer einer Klosterzelle darbte. Es war höchste Zeit, dass er etwas unternahm. Beide Opfer hatten dem Kloster angehört, und ebendort musste er – Abt hin, Prior her – Antworten finden.
    Mochte Melisend auch die Worte über den Sündenbalken im Auge des Priors dem unangenehmen Wesen zuschreiben, das der junge Mönch Adelbald offenbar gehabt hatte, war Bandolf davon überzeugt, dass es einen dunklen Fleck auf Bruder Ordlafs Kutte gab. Wenn er herausfinden konnte, was es mit diesem Sündenbalken auf sich hatte, würde ihm das ohne Zweifel bei weiteren Verhandlungen mit dem Prior nützlich sein.
    Wie es schien, hatten sowohl Bruder Adelbald als auch der Novizenmeister von diesem Flecken gewusst. Augenscheinlich hing es mit einem Vergehen zusammen, um dessentwillen Bruder Ordlaf sein ehemaliges Kloster hatte verlassen müssen.
    Es musste ein schwerwiegendes Vergehen gewesen sein, dass man ihn aus der Gemeinschaft der Mönche ausgeschlossen hatte. Und offenbar war es Bruder Ordlaf gelungen, es geheim zu halten, sonst hätte man ihn kaum in Sankt Mauritius aufgenommen.
    Doch welche Regel hatte Bruder Ordlaf gebrochen? War es Armut? Keuschheit, Schweigsamkeit? Oder war es Gehorsam?

    Gedankenverloren strich Bandolf über den Rand seines leeren Bechers. ›Wenn man bedenkt, dass ich dem Mann jeden Wurm aus der Nase ziehen musste, kann man wohl ausschließen, dass er das Gelübde der Schweigsamkeit gebrochen hat‹, überlegte er mit einem Anflug von Sarkasmus.
    Wie aber stand es mit Gehorsam und Keuschheit?
    Unter der kühlen Zurückhaltung, die Bruder Ordlaf zur Schau trug, mochte ein leidenschaftliches Feuer schwelen, und sein Äußeres war allemal dazu angetan, ein Weiberherz zu erobern. Hatte er seiner Lust nachgegeben und darum sein vormaliges Ordenshaus verlassen müssen? Aber wäre dieser Grund schwerwiegend genug gewesen? Nicht, wenn er seiner Leidenschaft nur einmal nachgegeben hat, beantwortete Bandolf seine Frage. Falls Bruder Ordlaf sich jedoch uneinsichtig gezeigt hätte und seinen Neigungen immer wieder erlegen wäre, dann hätte es wohl genügt, um ihn aus der Gemeinschaft seiner Brüder auszuschließen.
    Grübelnd kniff Bandolf die Augen zusammen. Der junge Wynstan hatte ihm erzählt, dass es bei Bruder Ordlafs Auseinandersetzung mit dem Novizenmeister um das Verhalten des Priors gegangen sei. Und in seinem Streit mit Bruder Adelbald war davon die Rede gewesen, dass der Prior den Sündenbalken noch immer im Auge trüge. Konnte das bedeuten, dass Bruder Ordlaf sich auch in Sankt Mauritius keine Zügel anlegte? Wer aber könnte Gegenstand seiner Neigung sein?
    Um Melisends Mund hatte ein eigenartiges Lächeln gelegen, als von Prior Ordlaf die Rede gewesen war. Hegte der Prior für die junge Gattin Tidreads von Krähenburg eine unerlaubte Neigung, und wurde diese Neigung erwidert? Plötzlich fiel Bandolf die Lederschnur ein, die er bei der Bodenluke des Ausgucks gefunden hatte. Am Vortag hatte
er darauf vergessen, Melisend das Band zurückzugeben. Es steckte noch immer in einem Beutel an seinem Gürtel. Rasch klaubte Bandolf die Schnur hervor und betrachtete nachdenklich die Haarlocke, die daran befestigt war. Die Farbe des Haars war irgendwo zwischen blond und braun angesiedelt und wirkte schon etwas verblichen. Eine solche Farbe war nicht ungewöhnlich. Die Strähne hatte Ähnlichkeit mit Bruder Ordlafs Haar, jedoch auch mit dem Tidreads. ›Oder mit dem Haar irgendeines anderen Mannes‹, dachte Bandolf und seufzte.
    Würde Melisend ihn mit der Nase auf jenen dunklen Fleck in der Vergangenheit des Priors gestoßen haben, wenn sie tatsächlich

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