Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
hob Garsende die Schultern. »Ein Händler erwirbt Waren, bringt sie von einem Ort zum anderen und verkauft sie wieder«, überlegte sie laut. »Vielleicht erhielt der Jude den Auftrag, für jemanden etwas Wertvolles zu erwerben. «
»Vielleicht wusste Bandolf davon und hat …« Matthäa verstummte und runzelte die Stirn. »Ich hörte, wie die Männer über ein Kleinod sprachen, das sie offenbar benötigen, um ihren Plan zur Vollendung zu bringen. Was immer das auch für ein Plan sein mag«, fügte sie mit nachdenklicher Miene hinzu.
»Konntet Ihr erfahren, was das für ein Kleinod ist?«, wollte Garsende wissen.
»Nein, es war immer nur von einem Kleinod die Rede«, antwortete Matthäa. »Ich glaube, die Söldner wissen selbst nicht, was es damit auf sich hat. Nur, dass es für ihr Vorhaben von Bedeutung ist.«
»Wenn der Burggraf aus irgendeinem Grund Wind von diesem Vorhaben bekommen hat, dann diente Eure Entführung vielleicht nur dem einen Zweck, ihn davon abzuhalten, sich in dieses Vorhaben einzumischen«, meinte
Garsende. Rasch beugte sie sich vor: »In der Scheune war die Rede davon, dass Eure Entführung unliebsame Aufmerksamkeit in Worms erregt hat, es Ragnold aber gelungen sei, die Wogen zu glätten. Vielleicht war das Vortäuschen Eures Todes gar nicht als Botschaft für Euren Gatten bestimmt. Vielleicht wollte man damit nur verhindern, dass in Worms weiter nach Euch gesucht wird. Hätte man das getan, wäre man hier womöglich früher oder später auf die Machenschaften Ragnolds und seiner Männer gestoßen. Vielleicht sollte just das verhindert werden?«
Für einen Augenblick erhellten sich Matthäas Züge, doch dann schüttelte sie den Kopf. »Nur hilft uns das auch nicht weiter. Es gibt gewiss nicht viel, was meinen Gatten davon abhalten könnte, nach mir zu suchen, dessen bin ich sicher. Pothinus’ Botschaft über meinen Tod wird das aber verhindern. Und womöglich ist es genau das, was diese Männer beabsichtigt haben.«
»Mit einem Quäntchen Glück erhält der Burggraf meine Botschaft jedoch zuerst. Bevor eine Nachricht vom Kämmerer – «
Matthäas halb unterdrückter Aufschrei und eine schwielige Hand auf ihrer Schulter ließen Garsende heftig zusammenzucken. Unmittelbar hinter ihr stand der Welsche Guillaume. Mit seinen kalten Augen starrte er auf sie herab, und für einen Augenblick fühlte sie sich wie gelähmt.
» Allez . Macht Feuer. Repas , verstehen? Manger «, knurrte er.
Ärger stieg in ihr auf. Bei allen Heiligen! Wie konnte sie nur zulassen, dass dieser Mann ihr solche Angst machte?
Als wolle er seinem Kauderwelsch Nachdruck verleihen, verstärkte er seinen Griff, was vollends ihren Zorn entfachte. Aufgebracht sprang sie auf und fauchte: »Fass mich nicht an!«
Einen Lidschlag später wünschte sie sich, sie hätte den Mund gehalten. Mit einem gleichgültigen Schulterzucken wandte er sich von ihr ab, und noch ehe sie seine Absicht begriff, hatte er Matthäa am Arm gepackt. Unsanft zerrte er sie auf die Beine und stieß sie in Richtung der Kochstelle.
»Pass auf, Weib, damit dir dein Balg nicht noch unterwegs aus dem Bauch rutscht«, rief der feiste Hunfrit, als Matthäa, behindert durch ihren schweren Leib, unbeholfen vorwärtsstolperte.
Die Hände zu Fäusten geballt, wirbelte Garsende zu ihm herum, doch was immer ihr auf den Lippen gelegen hatte, blieb ihr beim Anblick des Söldners im Hals stecken. Mit zusammengekniffenen Augen erwiderte er ihren zornigen Blick. Dann fasste er bedächtig an sein Gemächt und leckte sich die Lippen.
Als sie sich angewidert abwandte, fiel ihr Blick auf Matthäa, die sich aufgerichtet hatte und sich die Hände in den Rücken presste.
Garsende stockte der Atem.
Heilige Muttergottes, steh uns bei, fuhr es ihr durch den Kopf. Bis August würde das Kind des Burggrafen gewiss nicht mehr auf sich warten lassen.
KAPITEL 18
Sachsen, 5. Juli im Jahre des Herrn 1066
D ie Anstrengung, Melisends Andeutungen und sprunghaften Gedankengängen zu folgen, hatte den Burggrafen derart erschöpft, dass er dem Gesinde noch vor dem Nachtmahl befahl, seine Bettstatt in die Waffenkammer hinaufzuschaffen. Umgeben von Pfeil und Bogen, Morgenstern und Streitaxt, aber auch von gesegneter Ruhe, war er eingeschlafen, kaum dass sein Kopf das Lager berührt hatte. Sein Schlaf war tief und traumlos, und als er am Morgen erwachte, fühlte er sich ausgehungert, doch ansonsten erfreulich besser bei Kräften.
Wie üblich beschränkte sich sein Beitrag zum
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