Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
zitterten, und das Gefühl der Kälte nahm zu. Sie sah, dass die Hebamme immer noch an ihrem Bett stand und sie aufmerksam beobachtete. Der Blick der alten Frau war unergründlich und ließ Donata stärker frösteln. Welche Gedanken sich wohl gerade hinter dieser runzligen Stirn ein Stelldichein gaben? Donata senkte die Lider und faltete die Hände. Sie wollte Gott danken, dass ihr Kind geboren war. Doch nun fiel ihr vor Müdigkeit nicht einmal das Vaterunser ein. Sie suchte nach den richtigen Worten und spürte die Blicke der Alten weiter auf sich ruhen. Warum gab sie ihr nicht das Kind? Wie versteinert stand die Frau an ihrem Lager, die Augen jetzt starr auf einen Punkt hinter ihrem Kopf gerichtet. Nicht ansprechbar. Die junge Gräfin versuchte sich aufzusetzen, aber es wollte ihr nicht gelingen. Bleigewichte schienen sie an die Laken zu ketten, und sie fühlte, dass irgendetwas hier nicht so war, wie es sein sollte. Sie leckte über ihre ausgedörrten Lippen und schmeckte das Blut, das aus den aufgeplatzten Stellen gesickert war.
»Maria. Bring mir etwas zu trinken. Und bring mir endlich mein Kind.«
Die Hebamme löste sich aus ihrer Erstarrung und verschwand fast lautlos im hinteren Teil des Gemachs. Donata hörte, wie ein Kelch gefüllt wurde. Dann sah sie Maria wieder an ihr Lager treten. Ohne ein Wort, doch mit bebenden Lippen reichte ihr die Frau mit der einen Hand den Kristallkelch, mit der anderen stützte sie ihr den Kopf, damit sie besser trinken konnte. Im Licht der Kandelaber funkelte der Wein schwarz. Die Alte schien Kräuter hineingemischt zu haben, denn schon der erste Schluck ließ Farben und Formen um sie herum ineinanderfließen und sich vereinen, und alles rückte weit fort. Was sie sah, was sie spürte. Wie durch einen dichten Nebel hörte die Contessa die alte Frau im Singsang leise vor sich hin reden. Ein Zauberspruch, dachte sie entsetzt, ich bin hier allein – mit einer Hexe. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie die Hebamme an. Diese nickte ihr zu, rätselhaft. Dann sagte sie: »Das ist gut«, und nahm der Gräfin den Kelch aus den Händen. »Vertraut mir, meine Herrin. Alles ist gut.«
Donata war unfähig zu sprechen, sich zu bewegen. Sie spürte die Anwesenheit der Alten wie einen warmen, schweren Schatten neben ihrer Bettstatt und blickte dorthin, wo die Wiege stand. Sie vernahm keinen Laut, und Marias Blick lag wie Stein auf ihrer Seele.
Dann, irgendwann, wandte sich die Alte jäh ab, und Donata hörte sie beten; es war vielmehr eine hohe, halb geweinte, halb geseufzte Bitte an den Allmächtigen, und es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis die Hebamme an ihr Bett zurückkehrte, ein Kissen an sich gepresst. Als die alte Frau ihr das Kind darin in den Arm legte, erhaschte die Gräfin für einen kurzen Moment ihren tränennassen Blick. Marias Augen sprachen zu ihr, und sie verstand die Botschaft, trotz aller Benommenheit.
Zitternd vor Aufregung neigte sie sich dem Neugeborenen zu. Das also war sie, ihre Tochter, so klein und fein und wunderschön. Sie blickte voll tiefer Liebe in das rote Gesichtchen, dessen Augen noch fest verschlossen waren, und strich sacht, ganz sacht über die Nase und den Mund. Unter ihrer Berührung regte sich die Kleine und griff instinktiv nach dem Finger der Mutter. So zart, die winzige Hand. So fest der Griff. Die Contessastöhnte auf vor Glück und presste den Säugling an sich. Ihre Sinne schienen zu erwachen, und etwas wie neue Lebensenergie durchströmte ihren matten Leib.
Donata war den falschen Weg gegangen, das wusste sie, doch sie würde die Konsequenzen tragen. Nun hatte sie dieses Kind und war fest entschlossen, alles dafür zu tun, damit es ihrer Tochter gutginge. Sie streichelte über den dunklen Haarflaum des Mädchens und fühlte wieder diese bleierne Müdigkeit in sich aufsteigen. Die Schmerzen und die Anstrengung der letzten Stunden forderten ihren Tribut, und sie war mehr und mehr benommen von dem Wein, den die Hebamme ihr gereicht hatte. Ihr Arm erlahmte, und sie ließ es geschehen, dass die Alte ihr den Säugling abnahm. Noch einmal berührte sie das Kind, dann glitt sie in einen Dämmerschlaf. Sie wollte alles bedenken, morgen, wenn sie geschlafen hatte.
Als sie wieder zu sich kam, war die Sonne noch nicht aufgegangen. Maria hatte die schweren Vorhänge etwas zur Seite gezogen und die Läden geöffnet. Die Gräfin hörte sie geschäftig ihre Instrumente reinigen. Sie schien es eilig zu haben. Verwirrt, weil sie nicht wusste, wie viel
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