Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
nach einem Pfarrer schicken«, sagte sie leise. »Und wenn es … vorüber ist, habe ich eine Aufgabe für dich. Komm zu mir, wenn … danach. Dann werde ich dir alles erzählen.«
Die Contessa nickte Rocco zu und ging ruhigen Schrittes weiter. Der junge Koch war so verblüfft, dass er vergaß, sich zu verbeugen. Als er es schließlich tat, war Donata bereits hinter den Stallungen verschwunden.
Rocco befand sich in einer eigenartigen Stimmung. Richtig schwindelig war ihm zumute. Natürlich war er traurig, dass es mit Gianni zu Ende ging. Aber die Aussicht, für die Contessa etwas tun zu dürfen, etwas, wofür sie ihn ausgewählt hatte, verlieh ihm Mut und Selbstvertrauen. Als er die Küche betrat, verstummte das fröhliche Geschnatter der Mägde und Knechte auf der Stelle. Erwartungsvoll richteten sich ein Dutzend Augenpaare auf ihn. Rocco erzählte von Giannis Zustand und ließ den Pfarrer holen. Dann machte er Anweisungen für die abendliche Speisenfolge. Zu seinem Erstaunen gab es keine Widerworte oder missmutige Mienen, im Gegenteil. Die Küchendiener begegneten ihm mit zufriedenen Blicken. Jeder war an seinem Platz, alle arbeiteten zügig, jedoch ohne Hektik. Roccos Anweisungen waren knapp, aber verständlich. Er achtete darauf, dass keine Unruhe durch unnötiges Hin- und Herlaufen entstand. Und um die wichtigen Dinge kümmerte er sich selbst: um die Soßen, die Weine, die Dekoration der Speisen. Rocco verlor sich so sehr in den Vorbereitungen, dass er nicht bemerkte, wie die Zeit verging. Erst als Josepha mit dem Pfarrer in der Tür zum Kräutergarten stand, ließ er sein Messer sinken.
Gemeinsam traten sie an Giannis Lager, der fiebrig und unruhig vor sich hin redend dalag. Die kahlgerupften Stellen an seinem Kopf waren blutig verschorft; seine Wangen eingefallen, seine früher so fröhlichen Augen rollten wie auf einer rastlosen Suche nach etwas, das nicht zu fassen war, hin und her. Das war nicht der Gianni, den er kannte, das war nur noch eine Hülle mit einem irren Geist darin. Rocco wusste, es würde nicht mehr lange dauern. Er küsste den alten Koch auf die Stirn und verbeugte sich vor ihm. Dann nickte er Josepha und dem Prete zu und verließ den Ort des nahen Todes. Für Gianni konnte er nichts mehr tun, er war bald geborgen in der Ewigkeit Gottes, doch er, Rocco, war für ein Dutzend Menschen in der Küche des Conte verantwortlich. Er musste ihnen zeigen, dass es auch ohne Gianni weiterging.
Als Rocco aus dem Gesindehaus trat, hörte er Hufgetrappel. Es war also höchste Zeit, sich um die Jagdgesellschaft des Conte di Cavalli zu kümmern. Unser Conte wird sich wundern, dachte der junge Koch. Dieses Mahl wird eines der besten sein, die jemals in seinem Palazzo an die Tafel gebracht wurden. Das sind wir Giannis Ehre schuldig.
13. KAPITEL
B ella nutzte einen unbeobachteten Moment und schlüpfte zur Tür hinaus. Der Tross an Kutschen und Reitern war gerade in den Hof eingefahren. Sie sah, wie der Fürst und sein Sohn auf eine der Kutschen zugingen. Das war der Moment. Ein Diener öffnete die niedrige Tür, und aus dem Dunkel des Wageninneren reckte sich eine fleischige Hand ans Licht. Bella hielt den Atem an. Seit Tagen sprach man am Hof in Siena über nichts anderes als über Cassandra de’ Medici.
Fabrizio nahm die Hand und half der jungen Dame beim Aussteigen. Sie war klein und stämmig, was von den samtverbrämten bauschigen Ärmeln ihres bunt bestickten, weit ausladenden Gewandes noch betont wurde. Ihr helles Haar war zu einem dicken Zopf geflochten, der sich wie ein Reif an ihren Kopf schmiegte. Fabrizio überragte seine Braut um mehr als eine Haupteslänge; ungelenk stand er vor ihr und brachte kein Wort heraus. Sein Vater, der sich in diesem Moment nur zu gut in den eigenen Sohn hineinversetzen konnte, gab seiner zukünftigen Schwiegertocher einen Kuss auf die Wange. Dann half er Cassandras Eltern beim Aussteigen und führte seine hohen Gäste selbst in die Sala, wo alles für die Feierlichkeiten vorbereitet war.
»Sie hat ein Mondgesicht«, schluchzte der junge Adelige. Er hatte sich unter dem Vorwand, die Kleider zu wechseln, davongestohlen und saß nun neben Massimo auf einem Fass im Weinkeller. Der Koch klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. Das Mädchen war noch unansehnlicher, als er befürchtet hatte. Trotzdem musste sich Fabrizio seiner Verantwortung stellen.
»Alles an ihr ist kurz. Die Arme, die Beine, die Nase – einen Hals hat sie gar nicht –, aber ihre Brüste sind
Weitere Kostenlose Bücher