Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
schätze dich, aber du bist kein großer Koch. Du bist ein Handwerker, der aus guten Zutaten gute Speisen macht. Aber heute hast du all deine Fantasie gezeigt, und das nehme ich dir übel. Warum erst heute? Bin ich dir als dein Principe nicht genug? Müssen erst Gäste aus Rom kommen, damit du dir Mühe gibst?«
Massimo schnappte nach Luft. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Waren die Speisen heute wirklich so besonders gewesen? Verlegen kratzte er sich den kahlen Schädel.
»Und sag die Wahrheit«, setzte di Nanini nach, »sonst lasse ich dich vom Hof jagen.«
Der Koch wusste, sein Fürst meinte es ernst. Er dachte nach, er wollte ja eine Erklärung geben, aber ihm fiel nichts ein.
»Diese Waffeln, der Schwan … die Soßen, Koch, die Soßen!«
Der Principe war noch einen Schritt weiter auf ihn zugekommen und schnaufte. Er wollte anscheinend wirklich eine Antwort haben. Massimo überlegte, dann nahm er seinen Mut zusammen. Er verneigte sich vor di Nanini und sagte:
»Mein Fürst, Sua Altezza, ich danke Euch für das große Lob. Aber ich kann Euch keine andere Antwort geben als …«
Er zögerte einen Augenblick, dann sprudelte es aus ihm heraus.
»Seit ein paar Wochen haben wir ein neues Küchenmädchen. Sie kann riechen und schmecken und erzählt den ganzen Tag, wie sie gern kochen würde. Es ist eine Freude, sie bei uns zu haben, und vielleicht ist es diese Freude, die mich angesteckt hat. Das ist die Wahrheit. Ich schwöre es.«
Di Nanini nickte zum Erstaunen des Kochs und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, ihn allein zu lassen. Massimo gehorchte, froh, ungeschoren davongekommen zu sein. Dabei verhielt es sich wirklich so, wie er es gesagt hatte. Magdalena brachte ihn auf Gedanken, Speisen zu kreieren, wie er es nie zuvor erlebt hatte. Dieses Mädchen wusste, wie ein gefüllter Braten roch und schmeckte, lange bevor er fertig war. Glücklich machte er sich auf den Weg zu Rosa.
»Der Koch hat gesagt, du inspirierst ihn.«
Streng blickte der Fürst auf Bella, die sich nicht traute, ihn anzusehen.
»Ein großes Lob für ein so kleines Mädchen, meinst du nicht?«
Bella zuckte mit den Schultern. Sie hatte nicht auffallen wollen, sie hatte doch nur ihrer Fantasie freien Lauf gelassen.
»Wie heißt du?«
»Magdalena, Herr.«
»Sieh mich an, Magdalena. Dein Fürst befiehlt es dir.«
Bella hob ihren Kopf und versuchte, dem Blick des Principe standzuhalten. Sie fürchtete sich vor dem großen Mann mit der Augenklappe. Di Nanini bemerkte das und versuchte ein Lächeln.
»Du musst keine Angst haben, Kind. Ich freue mich, wenn du unseren Koch dazu bringst, seine Küchenkunst zu verbessern. Er ist ein guter Koch, aber es mangelt ihm an Einfallskraft. Du wirst ihm eine gute Lehrmeisterin sein. Ich weiß das. Und nun geh.«
Benommen von den Worten des Fürsten kehrte Bella in die Küche zurück. Ihr Herz klopfte vor Aufregung und Stolz. Als sie Massimo erblickte, lief sie auf ihn zu und warf sich in seine Arme. In dieser Küche war es wundervoll. Hier wollte sie bleiben.
Di Nanini hatte in der letzten Nacht viele Pilze gebraucht, um seiner wunden Seele Frieden zu schenken. Und in dieser Nacht würden es ebenso viele werden. Der Principe öffnete sein Kästchen und nahm von den getrockneten Blättern. Sie waren bitter, so bitter wie seine Erinnerung an vergangenes Glück. Seine Geliebte war weit entfernt, und nur Gott im Himmel wusste, ob sie seiner noch gedachte. Mit einem Stöhnen entfernte er die Klappe, die seine leere Augenhöhle schützte. Vorsichtig betastete er den Knochen, als könnte er es immer noch nicht fassen, diese Verwundung erlitten zu haben. Sein Auge blickte in die Flammen des Kamins, wollte sich festhalten an den tänzelnden Feuerzungen, doch es gelang ihm nicht. Dieses Mädchen aus der Küche … Er konnte nicht sagen, was es war, aber irgendetwas in ihrem Blick hatte ihn irritiert. Die Kleine machte einen wachen Eindruck. Er würde ihre Entwicklung beobachten, und vielleicht hatte sie ja wirklich das Talent, ein großer Koch zu werden. Der Fürst schloss das verbliebene Auge. Da waren sie endlich, die Farben, die Musik, und da – endlich – erschien auch seine Geliebte. Sie waren am Strand, hinter den Dünen, und ihr Lachen bezauberte ihn. Die nächsten Stunden würden nur ihnen und ihrer Liebe gehören.
Es war schon zur zehnten Stunde am nächsten Tag, als der Fürst erwachte. Umberto stand an seinem Bett und betupfte sein Gesicht mit kaltem Wasser. Das Gesicht des Dieners war
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