Das Geheimnis der Götter
geschmückt waren.
Aber er konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Als endlich der Stellvertreter des Oberpriesters eintraf, versteckte sich Sekari hinter einer Tür, um kein Wort der Unterhaltung zu versäumen.
»Wir fühlen uns durch Euren Besuch geehrt«, sagte der Würdenträger.
»Diese Provinz trägt den Namen ›das unversehrte Zepter‹«, sagte Isis. »Hier bei Euch wird das magische Zepter des Osiris aufbewahrt, das es ihm erlaubt, den verschiedenen Teilen seines Körpers Zusammenhalt zu verleihen. Seid Ihr bereit, es mir zurückzugeben?«
»Braucht Ihr es für die Mysterienfeier des Monats Khoiak?«
»Ja, so ist es.«
»Unser Oberpriester wäre einverstanden gewesen, nehme ich an?«
»Da bin ich mir ganz sicher.«
»Erlaubt bitte, dass ich mich mit den ständigen Priestern beratschlage.«
Dieses Gespräch dauerte nicht lange.
Der stellvertretende Oberpriester erschien bald darauf mit dem Zepter, das in ein weißes Tuch gehüllt war, und reichte es der Priesterin. Seine finstere Miene verriet, dass er großen Kummer hatte.
»Der große Erfolg Eurer Suche lässt uns auf den Fortbestand von Abydos hoffen. Leider ist Eure Reise aber noch nicht beendet.«
»Was soll das heißen?«
»Heliopolis besaß nicht nur dieses Zepter des Osiris, sondern auch den Sarkophag, in dem die Reliquien zusammengesetzt werden müssen. Nur in diesem Sarkophag können sie lebendig werden.«
»Und der ist verschwunden?«
Der Priester wirkte verlegen.
»Nein, selbstverständlich nicht! Da er aber sehr stark beschädigt war, beschloss unser Oberpriester, ihn nach Byblos zu schicken, der Hauptstadt Phöniziens. Ein hervorragender Schreiner soll dort die schadhaften Teile mit Pinienholz erster Güte erneuern.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Das weiß ich leider nicht.«
»Der Monat Khoiak steht vor der Tür, ich kann nicht länger warten.«
»Das verstehe ich ja, aber… Wenn Ihr nach Byblos fahren und den Sarkophag nach Hause holen wollt, könnte ich Euch ein Schiff geben, das besonders geeignet für die Strecke zwischen Ägypten und Phönizien ist.«
»Wann wäre die Mannschaft denn einsatzbereit?«
»Das dauert nicht lange. Soll ich mich sofort darum kümmern?«
»Tut das, so schnell es geht!«
Der stellvertretende Oberpriester verneigte sich und verschwand schnellen Schritts.
Empört verließ Sekari sein Versteck.
»Er hat eine Stimme wie eine heuchlerische Hyäne! So etwas Schleimiges habe ich ja noch nie gehört!«
»Mir gefällt der Mann auch nicht besonders«, gab Isis zu,
»aber er konnte mir einige wertvolle Hinweise geben.«
»Er lügt doch und will dir eine Falle stellen!«
»Möglich.«
»Nein, mit Sicherheit! Hör nicht auf ihn, Isis. Die Priester von Heliopolis haben einen Fehler begangen, dieser Sarkophag wurde zerstört, und jetzt erfinden sie irgendetwas, um die Sache zu vertuschen! Bestimmt wollen sie dich nach Phönizien schicken, damit sie dich los sind, und wahrscheinlich wollen sie dich auch töten.«
»Mag sein.«
»Du darfst also nicht mit diesem Schiff fahren!«
»Wenn auch nur die kleinste Aussicht darauf besteht, ich könnte Erfolg haben, muss ich es versuchen.«
»Isis…«
»Ich muss.«
38
Sesostris’ Seele war auf Reisen.
Sie durchstreifte das Weltall, tanzte mit den Gestirnen, begleitete die Planeten bei ihren sich unermüdlich wiederholenden Bewegungen und nährte sich vom Licht der unzerstörbaren Sterne.
Jenseits von Schlaf, Tag und Nacht und dem Fluss der Zeit traf sein ka auf den seiner Vorfahren. Scheinbar schlafend und keinen äußeren Einflüssen ausgesetzt, vor denen ihn seine Leibwache bewahrte, schöpfte der König außerhalb der Erdkugel ein Höchstmaß an Kraft.
Diese Kraft brauchte er, um sich zu erneuern, das Fest der Wiedergeburt von Osiris’ Tempel zu erleben und dem Propheten die Stirn zu bieten.
Schon bald sollten sich seine Augen öffnen.
Der Gehilfe des früheren Dorfvorstehers von Medamud brachte den Wachen ein köstliches Gericht, dem er ein Schlafmittel beigemengt hatte. Dann ging er und kam erst zwei Stunden später wieder in die Nähe des heiligen Waldes. Die Soldaten waren auf ihren Posten zusammengesackt und schliefen. Zwei kämpften noch mit dem Schlaf, konnten sich aber nicht mehr bewegen.
Vorsichtig wartete der Gehilfe des Propheten ab. Doch endlich war es so weit, und er betrat den heiligen Wald. Die Stille, die dort herrschte, machte ihm Angst, beinahe wäre er umgekehrt. Aber die Gelegenheit schien einfach zu schön. Als
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