Das Geheimnis der Götter
er ein paar große Äste auseinander schob, entdeckte er den alten Tempel des Osiris und den Eingang zu einer Gruft. Ob sie wohl einen Schatz enthielt?
Wahrscheinlich schon, weil der König derart viele Sicherheitsmaßnahmen angeordnet hatte. Und wo verbarg er sich selbst?
Der Mann wagte sich in den engen Gang, der zur
Grabkammer führte, deren Wände sanft leuchteten. Ausgestreckt auf einem Bett lag ein regloser Hüne. Der Pharao!
Zuerst dachte der Schüler des Propheten, er wäre tot. Aber nein, er atmete! Unfassbar – zwei Schritte vor ihm lag Sesostris, vollkommen wehrlos.
Sollte er ihn erwürgen oder ihm die Kehle durchschneiden?
Ein kräftiger Schnitt würde genügen. Der König musste verbluten, und sein Mörder konnte sich einer unglaublichen Heldentat rühmen!
Er hob das Messer.
Da öffnete der Pharao die Augen.
Entsetzt ließ der Verbrecher die Waffe fallen, lief aus der Gruft und durch den Wald und stieß auf die Soldaten, die zum Wachwechsel kamen.
Wild um sich schlagend, stieß er einen von ihnen um und versuchte zu fliehen.
Eine Lanze hielt ihn auf.
Der erste Offizier kümmerte sich nicht um dieses unbedeutende Opfer, sondern rüttelte die schlafenden Wachen auf, denen schwere Strafen drohten.
»Wo ist der König… Hat jemand den König gesehen?«
»Hier bin ich«, sagte der Pharao mit tiefer Stimme.
Der Stellvertreter des Oberpriesters von Heliopolis holte Isis ab. Mit salbungsvollen Worten und übertrieben ehrerbietig geleitete er sie zum Hafen und zu einem eindrucksvollen, in Phönizien gebauten Schiff, das dort vor Anker lag.
»Hier ist ein Brief an den Prinzen von Byblos, Abi-Shemu, einen getreuen Verbündeten Ägyptens. Wenn Ihr ihm diesen Brief übergebt, wird er Euch sehr wohlwollend empfangen und Euch den kostbaren Sarkophag überreichen. Mögen Euch die Winde günstig sein.«
Nordwind und Fang beeilten sich, an Bord zu kommen, und machten es sich auf der Brücke bequem. Das gefiel aber dem Kapitän, einem großen Kerl mit hagerem Gesicht, gar nicht.
»Mir kommen keine Tiere aufs Schiff!«, schimpfte er.
»Entweder sie verschwinden, oder ich bringe sie um.«
»Wage dich nicht in ihre Nähe«, riet ihm Isis. »Die beiden begleiten und beschützen mich.«
Der gefährliche Anblick des großen Hundes überzeugte den Kapitän, seine Drohung lieber nicht wahr zu machen. Er zuckte mit den Schultern, rief seine achtzehn Seemänner zusammen und gab ihnen den Befehl abzulegen.
»Fass das Ruder nicht an«, verlangte die junge Frau von ihm.
»Wollt Ihr Euch über mich lustig machen?«
»Weißt du etwa nicht, dass nur die Göttin Hathor unsere Fahrt steuern kann?«
»Ich ehre sie und weiß von ihrer Macht, aber steuern möchte ich doch lieber selbst!«
»Mir bleibt nicht mehr viel Zeit, also lassen wir das dumme Gerede und nehmen Fahrt aufs offene Meer.«
»Das… Das kommt nicht in Frage. Viel zu gefährlich!«
»Überlasse Hathor den Oberbefehl.«
»Auf keinen Fall.«
Einer der Seeleute schrie: »Das Schiff… Unser Schiff segelt von ganz allein!«
Der Kapitän griff nach dem Ruder, aber das schwere Teil aus Holz gehorchte einer höheren Kraft und reagierte nicht auf seine Versuche.
»Lass das lieber«, empfahl ihm Isis. »Sonst verbrennt dich noch das Feuer der Göttin.«
Der Kapitän hatte sich die Hände verbrannt und schrie vor Schmerz.
»Diese Frau will uns verzaubern, werfen wir sie doch einfach über Bord!«, meinte einer der Phönizier.
Er ging mit ausgestreckten Armen auf Isis zu, konnte seine Bewegung aber nicht zu Ende führen, weil ihn der Hund ansprang und zu Boden warf, während sich Nordwind mit gebleckten Zähnen vor die Priesterin stellte.
»Das sind keine gewöhnlichen Tiere«, stellte einer klug fest.
»Lassen wir die Zauberin lieber in Ruhe, sonst töten sie uns!«
»Kümmert euch um euren Kapitän und bleibt auf euren Posten, dann werden wir eine gute Reise haben«, empfahl Isis den Seeleuten. »Hathor schickt uns günstige Winde und ein ruhiges Meer. Nachdem sie in Byblos besonders verehrt wird, freut sie sich bestimmt darauf, ihren Tempel dort wiederzusehen.«
Und alle Vorhersagen der Oberpriesterin von Abydos bewahrheiteten sich.
Zum Erstaunen der Seemänner bewegte sich das Schiff mit unglaublich großer Geschwindigkeit vorwärts.
Trotz seiner Schmerzen wollte der Kapitän diese Erniedrigung nicht vergessen. Er wurde vom Libanesen beschäftigt und musste erst seinen Vertrag einlösen, um eine beachtliche Belohnung zu erhalten – diese
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