Das Geheimnis der Götter
da!«
»Hättest du nicht das Ruder fest in die Hand genommen und die Stimmung der Mannschaft gehoben, wären wir noch längst nicht hier«, ergänzte Sehotep.
»Wird der Pharao rechtzeitig eintreffen?«, fragte der Kahle besorgt.
»Wir wissen nicht, wie der Kampf ausgegangen ist«, gab Senânkh zu. »Sollte er gesiegt haben, nimmt Seine Majestät ein ganz neues Schiff, das außergewöhnlich schnell sein soll.«
»Ist das Große Werk noch im Gange?«, wollte die Königin jetzt wissen.
»Iker steht soeben vor dem Tor ins Reich des Lichts«, antwortete der Kahle.
Alle schauderten.
»Der Königliche Sohn ist so jung und unerfahren, wie soll er denn über das notwendige Rüstzeug verfügen?«
»Mit Isis’ Liebe wird es ihm gelingen, den Tod zu überwinden«, meinte Nephthys zuversichtlich.
»Vor allem dürfen wir die Hoffnung nicht aufgeben«, mahnte der Kahle. »Tun wir unsere Pflicht und backen das Auferstehungsbrot.«
Er gab ihm die Form eines Pyramidions, des Urhügels, auf dem das Licht des Ursprungs Gestalt angenommen hatte. Isis setzte die Bewegungen des Lichts in Gang, damit Ikers Geist mit seinen Strahlen nach oben steigen und sich bewegen konnte. Sie drangen in jede einzelne Zelle seines Körpers und erneuerten sein Fleisch.
»Im Herzen der Sonne ist dein Platz geräumig, und deine Gedanken sind ein Feuer, das Osten und Westen verbindet.«
Um den Nacken der Mumie bildete sich ein leuchtender Kreis. Er entwickelte eine sanfte Flamme, die das Gesicht des Königlichen Sohns umspielte, ohne ihn zu verbrennen. Iker lebte jetzt in einer Daseinsform wie die des Goldes. Nahm sie keine Verbindung zur Außenwelt auf und zeigte sie sich auch nicht nach außen, nährte sie sich ausschließlich von der eigenen Substanz und erschöpfte sich irgendwann. Die Witwe musste das Zeichen abwarten, das den nächsten Schritt ankündigte.
Die Königin war unerschütterlich, der Kahle verärgert, Sehotep unruhig, Senânkh undurchschaubar, Nesmontu ungeduldig und Nephthys voller Angst.
Sekari, Nordwind und Fang bewachten weiterhin die Umgebung des Goldenen Hauses, obwohl es sehr gut geschützt war.
»Der Tod ist auch nur ein Gegner wie jeder andere«, meinte der alte General. »Findet man seine Schwachstelle und greift ihn im richtigen Augenblick an, ist er zu besiegen!«
Sehotep konnte dieser Zuversicht nichts abgewinnen. Nachdem wegen einer falschen Beschuldigung beinahe ein Todesurteil gegen ihn vollstreckt worden wäre, rechnete er nur noch mit dem Schlimmsten. Die Auferstehung am dreißigsten Khoiak schien ihm in weiter Ferne, wenn nicht gar vollkommen unmöglich.
Senânkh vertraute auf Isis. Hatte die junge Frau nicht schon viele Hindernisse aus dem Weg geräumt, die als
unüberwindlich gegolten hatten?
Doch die letzten drei Tage des Monats Khoiak waren zweifellos besonders gefährlich, und wenn der König nicht rechtzeitig kam, war Isis’ Werk zum Scheitern verurteilt.
»Seht nur, da ist er!«, rief Nesmontu und sah nach oben. Ein Fischreiher segelte über den Himmel, glitt mit unvergleichlicher Würde und Anmut auf das Große Land herunter und setzte sich auf das pyramidionförmige Brot. Als Bote der Schöpfung des ersten Morgens der Welt, als Seele des Osiris, hatte er Ikers Augen.
MONAT KHOIAK
Achtundzwanzigster Tag
(16. November)
Der überaus kräftige Nordwind war ein großer Vorteil. Der Kapitän war von diesem ungewöhnlichen Naturereignis angenehm überrascht und machte das Beste daraus. Jeweils eine Hälfte der Besatzung hatte sechs Stunden Dienst, während sich die andere Hälfte ausruhte.
Sesostris stand ohne Pause am Bug und verzichtete auf Schlaf.
»Es besteht noch geringe Aussicht, dass wir es schaffen, Majestät«, sagte der Kapitän. »Immer vorausgesetzt, dass es keine Zwischenfälle gibt, die uns aufhalten. Ich hätte nie gedacht, dass ein Schiff so schnell fahren kann.«
»Hathor beschützt uns. Sorge dafür, dass das Feuer auf ihrem Altar nicht ausgeht.«
Iker hatte gerade die Schwelle zum Reich des Lichts überschritten, und das flammende Tor stieß ihn nicht zurück. Das Gold floss durch seine Adern, sein Leben verharrte im mineralischen, metallischen und pflanzlichen Zustand. Am dreißigsten Khoiak wollte der Pharao versuchen, ihn in seine menschliche Form zurückzuführen.
Einem der besten Ruderer der Besatzung namens Zahnlos war ganz besonders daran gelegen, Sesostris’ Unternehmen scheitern zu lassen.
Seine Tochter Kleine Blume hatte Iker einst an die Wachen verraten,
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