Das Geheimnis der Götter
Memphis – ihres Vordenkers beraubt – gezwungen sein würden, sich in alle Himmelsrichtungen zu zerstreuen oder unüberlegt zu handeln, was ihre Verfolgung sehr erleichtern würde. Und der Albtraum wäre endlich vorbei.
Es gab keine Zweifel: Die Bewachung rund um Medes’
Anwesen war aufgehoben worden. Dank der Fähigkeiten seiner Frau als Fälscherin und des Briefs ohne Absender richtete sich jetzt der ganze Verdacht gegen Sehotep. Die Sicherheitskräfte hatten sich den hohen Würdenträger vorgenommen, für dessen Anklage weder Beschattungen noch Nachforschungen erforderlich waren.
Medes fühlte sich als Sieger. War Sehotep nicht ein wunderbarer Sündenbock für die Behörden und eine ausgezeichnete falsche Fährte?
Und Sobeks Leute würden ihre Beute nicht loslassen, weil sie ja ihren Herrn rächen wollten.
Medes selbst dagegen erschien weiterhin als untadeliger Beamter und treuer Diener des Pharaos. Misstrauisch wie er war, überprüfte er aber doch noch einige Male, ob sich wirklich niemand mehr um sein Haus herumtrieb, vor allem auch nicht bei Einbruch der Nacht.
Als er sich schließlich davon überzeugt hatte, wartete er, bis alles im Haus schlief, zog sich einen anderen braunen Umhang über als beim letzten Mal und bedeckte seinen Kopf mit einer Kapuze. Trotz der damit verbundenen Gefahren schien ihm ein Gespräch mit dem Libanesen unerlässlich.
Ganz Memphis schlief.
Plötzlich Schritte! Eine Streife?
Medes drückte sich in den Eingang eines Lagerhauses, das hinter den Wohnhäusern lag. Vielleicht gingen die Soldaten vorbei, ohne ihn zu bemerken.
Er schloss die Augen und überlegte, was er sagen wollte, wenn man ihn festnahm.
Endlose Minuten vergingen.
Die Streife war umgekehrt.
Mindestens zehnmal änderte Medes seine Zielrichtung, bis er sich ganz sicher war, dass ihm niemand folgte. Dann erschien er vor dem Haus des Libanesen und meldete sich mit dem gewohnten Erkennungszeichen.
Kaum hatte er die Schwelle übertreten, als ihn drei bärtige Gestalten umringten.
»Der Herr hat befohlen, dass jeder Besucher durchsucht wird.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage!«
»Versteckst du eine Waffe?«
»Natürlich nicht.«
»Warum weigerst du dich dann? Wir können dich auch mit Gewalt durchsuchen.«
Als der Libanese erschien, beruhigte sich Medes ein wenig.
»Diese Kerle sollen verschwinden!«, forderte der Sekretär des Königlichen Rates.
»Sie sollen meine Anweisungen befolgen«, erwiderte der fette Mann.
Medes war wie vor den Kopf gestoßen und fügte sich. Als er das Wohnzimmer betrat und dort weder süßes Gebäck noch schweren Wein vorfand, fuhr er seinen Gastgeber an:
»Bist du ganz verrückt geworden? Was fällt dir ein, mich wie einen Verdächtigen zu behandeln?«
»Die gegenwärtigen Umstände erfordern größtmögliche Vorsicht.«
Medes kannte den Libanesen nun schon lange, aber diesmal fand er ihn zum ersten Mal sehr unruhig.
»Steht der Beginn unseres Unternehmens unmittelbar bevor?«
»Das muss der Prophet entscheiden, ich bin jedenfalls bereit. Nicht ohne Schwierigkeiten ist es mir gelungen, meine verschiedenen Eingreiftrupps in Bereitschaft zu versetzen.«
»Dank meines geschickten Vorgehens haben sich die Sicherheitskräfte auf Sehotep gestürzt. Man beschuldigt ihn, Anführer der Aufständischen zu sein und den Mordversuch an Sobek dem Beschützer angezettelt zu haben.«
»Hat Sobek etwa überlebt?«
»Er ist schwer verletzt. Die Empörung seiner Leute wird uns nützlich sein. Sehoteps Anklage bringt die Grundfesten des Königlichen Rates zum Wanken. Und selbst wenn Sesostris an die Unschuld seines Freundes glaubt, wird sich der Wesir an die Gesetze halten und einen Teil der Reichsgewalt lahm legen.«
Der Libanese beruhigte sich etwas. »Die Gelegenheit könnte nicht besser sein… vorausgesetzt, der Prophet zögert nicht mehr allzu lange! Ich benötige deine Unterstützung, Medes!«
»Inwiefern?«
»Meine Leute brauchen Waffen. Dolche, Schwerter und Lanzen in großen Mengen.«
»Das ist schwierig, sehr schwierig.«
»Wir stehen kurz vor dem Ziel, jetzt heißt es handeln.«
»Ich tue mein Bestes, aber ich kann dir nichts versprechen.«
»Das ist ein Befehl«, gab der Libanese kurz zurück. »Solltest du ihn nicht ausführen, würdest du als Abtrünniger gelten.«
Die beiden Männer maßen sich mit Blicken.
Medes musste diese Drohung unbedingt ernst nehmen. Im Augenblick blieb ihm nichts anderes übrig, als klein beizugeben und das Gesicht zu
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