Das Geheimnis der Götter
aus dieser schrecklichen Falle befreien. Dir fällt doch bestimmt etwas ein, Sekari!«
»Leider nein.«
»Wenn du dich weigerst, ist er verloren!«
»Ich weigere mich nicht, sondern ich habe Wichtigeres vor. Ich hoffe, in Kürze einen Teil der Aufständischen in Memphis ausheben zu können.«
»Und Sehotep vergisst du dabei einfach?«
»Der Anklage wird nicht stattgegeben.«
»Da täuschst du dich aber, Sobek wird nicht lockerlassen!
Können wir nicht gleichzeitig selbst Untersuchungen anstrengen?«
»Ohne die Unterstützung der Sicherheitskräfte ist das schwierig. Und die stehen alle wie ein Mann hinter dem Beschützer!«
»Wir können doch nicht einfach nichts tun!«
»Ein falscher Schritt macht die Sache nur noch schlimmer. Mit der Abreise des Pharaos bekommt Sobek freie Hand.«
Medes wollte sich nicht beruhigen.
Angesichts seiner Fähigkeiten und Vorzüge stand das Amt des Wesirs ganz eindeutig ihm zu. Wieder hatte Sesostris seine Verdienste außer Acht gelassen und ihn so aufs Unerträglichste vor den Kopf gestoßen. Immerhin wuchs dadurch seine gewaltige Vorfreude auf den Sturz des Königs und die Geburt einer neuen Herrschaft, in der endlich er das Sagen haben würde.
Den Libanesen aus dem Weg zu räumen, dürfte ihm keine Schwierigkeiten bereiten. Den Propheten konnte er dagegen nicht so ohne weiteres loswerden. Doch auch der hatte mit Sicherheit seine Schwächen. Vielleicht würde er nach seinem Kampf in Abydos und dem entscheidenden Schlag gegen Sesostris angeschlagen sein.
Medes wusste, dass er für ein bedeutendes Schicksal geschaffen war. Und keiner würde ihn daran hindern, an die alleinige Macht zu kommen.
Inzwischen widmete er sich seinem neuen Auftrag: Er sollte die Aufständischen mit Waffen versorgen. Die Nachricht vom Tod Nesmontus erleichterte ihm diese Aufgabe erheblich, weil die hohen Offiziere entmutigt widersprüchliche Befehle zu geben begannen. Viele Soldaten, die dazu eingeteilt waren, Sicherheitsmaßnahmen durchzuführen, wurden gerade in die Kasernen zurückgerufen. Und eine Werkstatt, in der Dolche und Schwerter in Stand gesetzt wurden und die vorübergehend geschlossen war, blieb deshalb unbewacht.
Diese günstige Gelegenheit wollte Medes nützen, und er beauftragte Gergu damit, Hafenarbeiter, die es nicht so genau nahmen, zu schmieren; dann konnte man die Werkstatt ausräumen und die Waffen in ein verlassenes Lagerhaus bringen, aus dem sie die Widerständischen dann holen sollten. Auf diese Weise bewies der Sekretär des Königlichen Rates dem Libanesen seine Einsatzbereitschaft – er musste ihm ja schließlich nicht sagen, dass er einen Teil der Waffen für sich selbst, also für seine zukünftigen Trupps zurückbehielt. Außerdem ersparte Medes es sich damit, das wesentlich aufwendigere Vorhaben umzusetzen, das er dem Libanesen dargelegt hatte.
Das Schicksal war ihm ganz offensichtlich gewogen.
Obwohl Sehotep sein prunkvolles Haus nicht verlassen durfte und zur Untätigkeit verurteilt war, ließ er sich nicht gehen. Jeden Morgen bearbeiteten ihn die geschickten Hände seines Haarschneiders, ehe er ein erfrischendes Bad nahm, sich mit wohlriechenden Salben einrieb und geschmackvolle Kleidung anzog.
Aus war es mit den üppigen Festmählern in geselliger Runde, aus auch mit den Empfängen, auf denen er sich über die Klagen von ganz Memphis unterrichtet hatte, keine Reisen mehr in die Provinz, um alte Bauwerke wiederherzustellen oder neue Baustellen zu eröffnen. Der gebildete Mann entschädigte sich dafür mit dem Lesen der alten Schriften und entdeckte tausendundeinen vergessenen Schatz. Niemals versuchten die großen Schriftsteller, mit ihrer Schreibweise die Gedanken in den Hintergrund zu drängen, kein einziges Mal wurde die Form zum Kunstwerk. Selbst Satzbau und -stellung dienten nur dem Ausdruck einer Spiritualität, die seit dem Goldenen Zeitalter der Pyramiden weitergereicht und ohne Unterlass in neue Worte gefasst worden war.
Dieses kostbare Gut gab Sehotep die Kraft, alle Widrigkeiten zu ertragen. Außerdem erinnerte er sich an die Lehre des Goldenen Kreises von Abydos, der ihn auf die andere Seite der Wirklichkeit geführt hatte. Was bedeutete sein Unglück schon
– verglichen mit der Initiation in die Auferstehung von Osiris?
Bei dem Ritus der Umkehrung des Lichtes hatten sich sein menschliches und sein himmlisches Wesen vermählt und ausgetauscht zugleich. Der Mensch war nicht länger auf Vergnügen und Leid beschränkt, das Göttliche in ihm
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