Das Geheimnis der Götter
alle glücklich waren, in Abydos arbeiten zu dürfen, zu Mittag zu essen.
Freundlich, entgegenkommend und stets hilfsbereit genoss er einen sehr guten Ruf. Es hieß sogar, der Kahle wollte ihm bald eine wichtigere Arbeit anvertrauen.
Der Prophet ließ sich Zeit für den Weg und dachte an das Abendessen bei Nephthys, die erlesenen Speisen, die sie ihm vorgesetzt hatte, und an den Anmut dieser jungen Frau, die über die Maßen klug, ernst und trotzdem sehr lebhaft war. Er wollte sie in sein Bett holen und sich in vollen Zügen mit ihr vergnügen.
Sollte sie sich dem wahren Glauben verweigern, würde er bei ihrer Steinigung in aller Öffentlichkeit den ersten Stein auf sie werfen. Alle Ungläubigen, die den Anspruch auf ihre Freizügigkeit aufrechtzuerhalten wagten, mussten beseitigt werden. Die bekehrten Frauen dagegen würden zu grausamen Kriegerinnen, schlimmer noch als ihre Glaubensbrüder. Sie würden kein Mitleid kennen, sich an Binas Vorbild halten und alle Widersacher mit Leichtigkeit niedermetzeln. Später sollten dann aus ihren Bäuchen die Truppen des Propheten geboren werden. Es würde keine Verhütung mehr geben, wie sie derzeit in Ägypten üblich war, und keine Geburtenbeschränkung, sondern einen steilen Bevölkerungsanstieg. Dann würde nur noch die brüllende, gesteuerte Masse herrschen.
»Möchtet Ihr etwas Salz?«, fragte ihn Bina.
»Ja, gern.«
Die Augen der hübschen jungen Frau funkelten wütend.
»Worüber ärgerst du dich denn so?«
»Diese Nephthys… Sie will Euch verführen!«
»Was missfällt dir denn an ihr?«
»Alles, oder bin ich etwa nicht die Königin der Nacht, die einzige Frau, die in Eure Nähe darf?«
Der Prophet sah sie herablassend an. »Was sind das nur für Hirngespinste, Bina. Hast du vergessen, dass die Frau ein untergeordnetes Wesen ist? Nur Männer können
Entscheidungen treffen. Außerdem ist jeder Mann mehrere Frauen wert und sollte sich deshalb nicht mit einer zufrieden geben. Die Ehefrau dagegen hat ihrem Mann vollkommen treu zu sein, andernfalls wird sie gesteinigt. So lauten die Befehle Gottes. Das Pharaonenreich tut Unrecht, wenn es die Vielweiberei verbietet und den Frauen einen Stellenwert einräumt, den sie nicht verdienen und der sie gefährlich werden lässt. Unter der Herrschaft des neuen Glaubens wird mit diesen Irrtümern aufgeräumt.« Zärtlich strich der Prophet Bina übers Haar. »Das göttliche Recht befiehlt dir, Nephthys und jede andere Frau, die ich will, zu dulden. Dem wirst du dich fügen, weil es dein geistiger Fortschritt verlangt. Du und deinesgleichen, ihr sollt euch entwickeln, indem ihr endlich euren Führern gehorcht, deren oberster Herr ich bin. Das stellst du doch hoffentlich nicht in Frage?«
Bina kniete vor dem Propheten nieder und küsste seine Hände. »Macht mit mir, was Ihr wollt.«
Auf seine Anfrage über Gergu hin hatte Iker gerade die beunruhigende Nachricht erhalten, dass Sobek schwer verletzt und handlungsunfähig sei. Die Aufständischen waren also in Memphis wieder zum Angriff übergegangen! Diese schlechten Neuigkeiten teilte er sofort seiner Frau mit.
»Sobek erholt sich wieder«, sagte sie voraus. »Der Pharao wird den bösen Zauber aus ihm vertreiben, und Gua macht ihn gesund.«
»Der Feind stellt wieder eine ernste Bedrohung dar.«
»Das war er schon immer, Iker.«
»Sobald Sobek wieder auf den Beinen ist, muss er Nachforschungen über Gergu anstellen. Vielleicht führt er uns ja endlich auf die Spur der Anführer dieses Aufstands.«
»Wie verhält sich Bega?«
»Freundlich und ehrerbietig. Er beantwortet alle meine Fragen ohne Umschweife und erleichtert mir meine Aufgabe sehr. Ich habe noch einen Arbeitstag vor mir, dann dürften alle Vorbereitungen für das Ritual erledigt sein.«
Sie sahen sich liebevoll an.
»Zum ersten Mal wirst du die Mysterienfeier leiten«, sagte Isis leise. »Vermeide vor allem überstürzte Handlungen oder Worte. Werde zu dem Kanal, durch den die Worte der Macht fließen, zu dem Instrument, das sie in Einklang bringt.«
Iker fühlte sich dieser Verantwortung nicht gewachsen, wollte sich ihr aber auch nicht entziehen. Bestand sein Leben nicht aus einer Reihe von Wundern? Jeden Morgen dankte er den Göttern dafür. Mit Isis und in Abydos zu leben, das Vertrauen des Pharaos zu genießen und auf dem Weg der Erkenntnis voranzuschreiten – was konnte er sich mehr wünschen? Aus den überstandenen Prüfungen hatte er ein ausgeprägtes Bewusstsein für das Glück entwickelt, das
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