Das Geheimnis der Götter
Todes gestorben, oder wurde er ermordet?«, wollte der Diener des ka wissen.
»Er wurde ermordet.«
Keiner sagte ein Wort.
Selbst Bega fühlte so etwas wie Entsetzen – als wäre gerade eine Welt für ihn zusammengebrochen. Ein Verbrechen hatte das heilige Reich von Osiris besudelt, äußerste Gewalt mitten im Reich des Friedens!
»Hat man die Schuldigen gefasst?«
»Nein, noch nicht.«
»Weiß man, wer es getan hat?«
»Leider nein.«
»Steht fest, dass sie Abydos wieder verlassen haben?«
»Keineswegs.«
»Dann sind wir also in Gefahr?«, fragte der Diener des ka ängstlich.
»Und was ist mit dem Kommandeur der Sicherheitskräfte?«, versetzte der Ritualist, der die Geheimnisse sehen konnte. »Er wurde also auch ermordet!«
»Richtig.«
»Aber von einer anderen Verbrecherbande?«
»Das wissen wir noch nicht, die Untersuchungen haben gerade erst begonnen. Der Pharao hat die notwendigen Maßnahmen zu eurem Schutz veranlasst. Halten wir uns an unsere Gesetze und widmen uns unseren rituellen Pflichten. So können wir Iker am allerbesten die Ehre erweisen.«
»Ich kann nirgends die unglückliche Isis entdecken«, sagte Bega. »Hat sie Abydos etwa verlassen?«
»Ikers Gattin ist in so tiefe Verzweiflung gestürzt, dass sie sich nicht mehr zur Erfüllung ihrer Pflichten in der Lage sieht. Nephthys wird deshalb fürs Erste die Gemeinschaft der ständigen Priesterinnen leiten.«
Bega jubelte insgeheim. Iker war tot, Isis war nicht mehr da!
Tausend Soldaten waren weniger gefährlich als diese beiden. Diese viel zu schöne, kluge und glückliche Frau war ihm schon lange ein Dorn im Auge. Ikers Tod musste sie zerstören und ihr jede Möglichkeit rauben, dem Propheten zu schaden. Wahrscheinlich würde sie sich für den Rest ihres Lebens in einem Palast in Memphis ihrem Kummer hingeben.
»Damit ist es aber noch nicht genug«, klagte der Kahle. »Das Grab des Osiris wurde geschändet und die kostbare Schale daraus geraubt.«
»Weder Abydos noch Ägypten kann dieses schreckliche Unheil überleben«, sagte der Diener des ka erschüttert.
»Ich wiederhole: Wir leben weiter nach unseren Gesetzen«, beharrte der Kahle.
»In welcher Hoffnung denn?«
»Man muss nicht hoffen, um zu handeln. Das Ritual wird durch uns und über uns hinaus weitergereicht – unabhängig von den augenblicklichen Umständen.«
Fassungslos machten sich die ständigen Priester wieder an ihre gewohnten Pflichten, angefangen bei der Verteilung der Arbeiten an die Zeitweiligen, unter denen Ratlosigkeit und Besorgnis herrschten. Da der Kahle ihnen kein Stillschweigen auferlegt hatte, verbreiteten sich die Neuigkeiten sehr schnell. Es war Abend geworden, und Bina saß ihrem Herrn zu Füßen. In der kleinen dunklen Dienstunterkunft gehörte er ihr allein und dachte nicht mehr an diese verdammte Nephthys, die sie eigenhändig töten würde. Sanftmütig,
entgegenkommend und alle noch so ausgefallenen Wünsche des Propheten erfüllend, war und blieb sie seine Hauptfrau und verbannte die anderen auf die unteren Ränge. Und sollte doch eine von ihnen versuchen, ihr den Platz streitig zu machen, würde sie sie in Stücke reißen, ihr die Augen auskratzen und das, was von ihr übrig wäre, den Hunden vorwerfen. Der Prophet stärkte sich mit etwas Salz, Bina fastete. Sie trank keinen Alkohol und aß nichts Fettes, aus Angst, dick zu werden und ihrem Herrn nicht mehr zu gefallen. Wenn sie schön und begehrenswert bliebe, konnte sie das Altern hinauszögern.
In der Tür tauchten die Umrisse einer Gestalt auf. Bina griff nach einem Dolch und versperrte den Weg.
»Ich bin’s, Bega!«
»Noch einen Schritt weiter, und ich hätte dich durchbohrt. Das nächste Mal melde dich besser, bevor du hereinkommst.«
»Ich wollte die Nachbarschaft nicht aufscheuchen. Hier wimmelt es überall nur so von Sicherheitsleuten, die Wache stehen. Ganz Abydos wird rund um die Uhr bewacht – hier kann keiner rein und keiner raus.«
»Bleibt nur noch unser geheimer Notausgang«, meinte Bina.
»Der ist laut Shab ebenfalls nicht mehr zu gebrauchen. In der Wüste sind Bogenschützen in Stellung gegangen.«
»Quält euch doch nicht unnötig«, riet ihnen der Prophet mit ruhiger Stimme. »Hat der Kahle die Wahrheit enthüllt?«
»Er war viel zu bestürzt, um schweigen zu können! Morgen wird jeder das ganze Ausmaß des verheerenden Unglücks kennen. Die ständigen Priester sind niedergeschmettert, das schöne Bauwerk Osiris’ bricht in sich zusammen. Um den Schutz dieses
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