Das Geheimnis der Götter
drei durch die Straßen von Memphis. Selbst ein bis an die Zähne bewaffnetes Heer von Aufständischen hätte Sekaris Weg kreuzen können, ohne dass er es bemerkt hätte. Krank vor Kummer lief er mit leerem Blick ziellos durch die Stadt – links neben sich Fang, rechts Nordwind.
Die beiden wichen ihm nicht von der Seite, ja sie erdrückten ihn beinahe. Die Tiere spürten seinen Schmerz und verlangten auf ihre Weise nach einer Erklärung. Sekari schreckte aber noch vor diesem unvermeidlichen Gespräch zurück und erinnerte sich stattdessen an all die Abenteuer, die er mit Iker erlebt hatte, an all die schlimmen und schönen Augenblicke. Sie waren wie Brüder gewesen, und ihre Seelenverwandtschaft hatte sich unauslöschlich in sein Herz gegraben. Gemeinsam waren sie den Weg von Maat gegangen, der sie ihr Leben verschrieben hatten.
Nun gab es nur noch Grausamkeit und Unrecht.
Die Beine wollten ihn nicht mehr tragen, und Sekari sank schließlich irgendwo nieder.
Hund und Esel blieben an seiner Seite.
»Ich weiß, ich bin euch die Wahrheit schuldig… Aber die Wahrheit lässt sich nur so schwer sagen. Könnt ihr das verstehen?« Der Ton, in dem Sekari mit ihnen sprach, war Erklärung genug.
Gemeinsam setzten Nordwind und Fang zu einem
Klagegeheul an, das so herzzerreißend und laut war, dass zahlreiche Leute aus dem Schlaf gerissen wurden. Einer von ihnen stand auf, sah aus dem Fenster und wurde Zeuge eines merkwürdigen Schauspiels: Ein in Tränen aufgelöster Mann, Arm in Arm mit einem Esel und einem Hund!
»Könnt ihr wohl mit diesem Radau aufhören? Ich muss morgen früh zur Arbeit und brauche meinen Schlaf!«
»Sei still, Schwachkopf, und ehre das Gedenken an einen Helden, der sein Leben dafür gegeben hat, deinen Schlaf zu beschützen.«
25
Die Ankunft des Kriegsschiffs in der Hauptstadt der dritten Provinz Oberägyptens sorgte für Aufsehen. Wadjet und Nechbet, die Schlangen-und die Geier-Göttin beschützten dieses Gebiet, das unter der Herrschaft der sehr alten heiligen Stadt Nechen stand, die seit jeher für den König bürgte. Sarenput kannte den Fürsten dieser Provinz, und die beiden Männer umarmten sich.
»Steht eine kriegerische Auseinandersetzung bevor?«
»Die Oberpriesterin von Abydos bedarf deiner
Unterstützung.«
Tief beeindruckt von der Schönheit und der vornehmen Erscheinung seines Gastes verneigte sich der Würdenträger vor ihr.
»Sie sei Euch zugestanden!«
Isis fühlte sich schlecht, dunkle Mächte schienen hier irgendwo zu wirken.
»Hattet Ihr hier in letzter Zeit größere Schwierigkeiten?«
»Ja, die Farbe des Roten Gebirges nimmt zu, viele halten das für ein bedrohliches Vorzeichen. Die Priester sind darüber so in Sorge, dass sie jeden Morgen und Abend besänftigende Gebet an die Seelen von Nechen richten. Ohne deren Schutz wäre die ganze Gegend hier bereits unfruchtbar.«
»Ich bin gekommen, um die Reliquie des Osiris zu holen, die aus seinem Nacken und seinen Kiefern geformt ist.«
Jetzt sah sie der Provinzfürst mit unverhohlener Feindseligkeit an.
»Dieser Schatz gehört uns seit alters her, und niemand wird ihn uns wegnehmen!«
»Ich brauche die Reliquie unbedingt, um Abydos zu retten«, erklärte Isis. »Danach kehrt sie zu Euch zurück.«
»Ist Abydos denn in Gefahr?«
»Es geht um Leben und Tod.«
Diese Frau war so edel und traurig, sie log bestimmt nicht.
»Du hast ihr deine Hilfe zugesagt«, erinnerte ihn Sarenput jetzt.
»Da wusste ich aber nicht…«
»Versprochen ist versprochen. Wenn Osiris Gericht hält, spricht das Wort der Eidbrüchigen gegen sie.«
Erschüttert gab der Fürst nach.
»Wegen des überraschenden Zorns des Roten Gebirges hat der Oberpriester von Nechen die Osiris-Reliquie aus dem Tempel geholt. Er, ich und der Meister der Schmiede sind die Einzigen, die ihr Versteck kennen.«
»Du führst uns also zu ihr?«, fragte Sarenput erleichtert.
»Vorher muss ich die hohe Priesterin warnen und…«
»Unnötig. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
In Begleitung der Bogenschützen von Elephantine machten sich die drei auf den Weg zu der großen Schmiede, in der rund fünfzig Männer bei der Arbeit waren.
Mit Gebläsen aus Schilfrohr mit einem Tonschnabel darauf hielten sie in einem Ofen die Glut in Gang, auf der ihre Schmelztiegel standen. Mit dem Gespür für die richtige Hitze schmolzen sie die Metalle und wussten immer genau, wann der Schmelzpunkt erreicht war.
Die schweren Kessel mit flüssigem Metall dann hochzuheben und
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