Das Geheimnis der Götter
sie zu der tragbaren Barke, die er auf den Kopf stellen ließ, um an ihren Sockel zu gelangen – eine Truhe aus Sykomorenholz. Aus dieser Truhe nahm der Hohe Priester die Brust des Osiris, die aus Edelsteinen geformt war.
»Im Einvernehmen mit allen Priesterbrüdern von Edfu übergebe ich Euch diesen unvorstellbar kostbaren Schatz. Behandelt ihn gut und bewahrt die Zwei Länder vor dem Untergang.«
24
Auch der genaueste Beobachter wäre an Sekari
vorbeigegangen, ohne ihn zu erkennen. Mit Stoppelbart, grau gefärbtem Haar und krummem Rücken wirkte er wie ein müder alter Mann, der mühsam versuchte, das billige Geschirr zu verkaufen, das sein langsamer, störrischer Esel, der von einem kranken Hund begleitet wurde, für ihn schleppte. Nordwind und Fang waren ausgezeichnete Schauspieler und gaben sich wie gequälte Tiere, die mit ihren Kräften am Ende waren.
Sekari war zu einem einfachen Schluss gekommen: Der Krauskopf und der Griesgram konnten sich nur wieder in ihrem Lieblingsviertel versteckt haben, wo kein Mensch auf den Gedanken kommen würde, nach ihnen zu suchen. Machten sie das aus Dummheit oder Unvorsichtigkeit? Ganz bestimmt nicht. Die Aufständischen hatten zur Genüge bewiesen, wie schlagkräftig und unerbittlich sie waren. Also hatten diese beiden und ihre Helfershelfer wohl ein Versteck, in dem sie sich so sicher fühlten, dass sie keine Angst vor dem Erscheinen von Sicherheitskräften oder überraschenden Durchsuchungen haben mussten.
Keinem Spitzel war es bislang gelungen sich
einzuschleichen, es gab keinen Verrat und kein Geschwätz. Die Abschottung war so gut wie vollkommen. Sekari war dabei, eine Vermutung anzustellen, die sich schwer überprüfen ließ. Trotzdem wäre es ein Hoffnungsschimmer. Wenn er sich nicht täuschte, würde bald ein Anhänger des Propheten sein Loch verlassen, sei es auch nur, um frische Luft zu schnappen. Was wäre auch schon dabei? Das Viertel wurde nicht mehr streng überwacht, und Späher würden die Widerständischen warnen, wenn eine Streife auftauchte.
Die Bewohner des Viertels gewöhnten sich allmählich an diese harmlose Gestalt, die keine Fragen stellte und mehr als kümmerlich von dem mageren Ertrag ihrer Verkäufe lebte. Oft schenkte man ihm Brot und Gemüse, das er dann mit seinem Esel und seinem Hund teilte.
Es wurde Nacht, und Sekari schlief ein.
An diesem Abend stupste ihn der Hund mit der Pfote an.
»Lass mich ein bisschen schlafen.«
Als der Hund nicht aufhören wollte, öffnete Sekari die Augen.
Wenige Schritte von ihm entfernt kaufte ein Mann gerade Datteln und verschlang sie gierig.
Der Krauskopf.
Diesmal würde er ihn nicht aus den Augen verlieren. Der Mann aß weiter und entfernte sich langsam. Sekari stand auf und folgte ihm, wobei er einen großen Vorteil hatte: Den Geruchssinn von Hund und Esel. So konnte er dem Aufständischen in sicherer Entfernung folgen, ohne entdeckt zu werden.
Der Weg war nicht weit.
Sekaris Esel blieb vor einem hübschen, zweistöckigen Haus stehen, aus dem ihn eine wild gewordene Hausfrau anfuhr.
»Verschwinde auf der Stelle, du Flohsack! Ich kann Streuner nicht leiden.«
»Meine Töpferware ist nicht teuer! Ich verkaufe Euch zwei Stück zum Preis von einem.«
»Wahrscheinlich sind sie genauso hässlich wie zerbrechlich!
Verschwinde, oder ich hole einen Wachmann.«
Brummelnd fügte sich Sekari. Er war sich ganz sicher: Der Krauskopf hielt sich in diesem Haus versteckt.
Dabei war es doch mehrfach von oben bis unten durchsucht worden.
Wie gewohnt unterlief Sekari die Aufmerksamkeit der Wachen und glitt unbemerkt wie ein Schatten in das Arbeitszimmer des Wesirs.
Obwohl es mitten in der Nacht war, arbeitete Sobek. Wenn er auch die große Bedeutung seines Amtes geahnt hatte, hatte er doch das Ausmaß an Arbeit unterschätzt, das damit verbunden war. Da gab es nur eine Lösung: Er musste hart arbeiten, jeden Vorgang genau prüfen und sich mit allen – kleinen und großen
– Schwierigkeiten eingehend befassen, die das Wohlergehen der Zwei Länder bedrohten.
Im Gegensatz zu den Behauptungen seiner Verleumder lernte Sobek sehr schnell. Zusätzlich genoss er Unterstützung durch Senânkh, den Minister für Wirtschaft, den er häufig aufsuchte, um nichts zu übersehen.
Die Sicherheit von Memphis war und blieb sein oberstes Ziel. Da ihm die schreckliche Gefahr bewusst war, die über der Stadt schwebte, hoffte er auf einen Fehler seiner Gegner oder wenigstens brauchbare Ergebnisse der zahlreichen
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