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Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3

Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3

Titel: Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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der sich ins lichtlose Erdinnere hinabwendelte.
    »Kennt jemand ein Lied?«, fragte Simon nach einer Weile. Seine Stimme klang schwach durch den klagenden Wind.
    »Ein Lied?« Sludig machte ein überraschtes Gesicht.
    »Warum nicht? Wir sind immer noch weit weg von jeder menschlichen Seele. Außerdem liegt zwischen dir und mir knapp eine Armlänge,und doch kann ich dich in diesem verdammten Wind kaum hören. Und darum ein Lied, jawohl!«
    Hotvig und seine Thrithingmänner schienen keine großen Sänger zu sein, erhoben jedoch auch keine Einwände. Sludig verzog den Mund, als sei der schiere Gedanke schon unglaublich albern.
    »Dann bin ich also dran?« Simon lächelte. »An mir bleibt es wohl hängen. Schade, dass wir Shem Pferdeknecht nicht bei uns haben. Er kennt mehr Lieder und Geschichten als jeder andere.« Einen kurzen Moment fragte er sich, was aus Shem geworden sein mochte. Lebte er noch immer glücklich und zufrieden in den großen Ställen des Hochhorsts? »Ich werde euch eins von seinen Liedern vorsingen. Es handelt von Hans Mundwald.«
    »Von wem?«, fragte einer der Thrithingreiter.
    »Hans Mundwald. Ein berühmter Räuber. Er lebte im Wald von Aldheorte.«
    »Wenn er überhaupt je gelebt hat«, spottete Sludig.
    »Ja, wenn«, stimmte Simon ihm zu. »Also – ein Lied über Hans Mundwald.« Er wickelte die Zügel um die Hand, lehnte sich im Sattel zurück und versuchte sich an die erste Strophe zu erinnern. Dann fing er an, im Takt mit dem stampfenden Rhythmus von Heimfinders Schritten zu singen.
    Der kühne Hans Mundwald sprach einmal:
    ›Ich muss nach Erchester gehn.
    Dort hab ich von einer Maid gehört,
    über die Maßen schön.
    Hruse heißt sie. Ihr Haar ist lang,
    weich wie fließendes Gold;
    weiße Schultern wie Winterschnee,
    Hruse so jung und hold.‹
    Seine Räuber, die warnten ihn:
    ›Reite nicht in die Stadt.
    Der Graf dort wartet auf deinen Kopf
    wie er’s geschworen hat.‹
    Hans Mundwald hatte nur gelacht.
    Den Grafen kannte er lang.
    Oft schon war er entkommen ihm,
    vor ihm war er nicht bang.
    Reiche Kleider zog er an,
    Seiden und Ketten schön.
    Osgal sollte sein Diener sein,
    hinter dem Stuhl ihm stehn.
    ›Herzog von Blumen nenn ich mich‹,
    sagt Hans, ›einen Edelmann;
    geh zum Markt mit Gaben und Gold,
    werb um Schön-Hruse dann.‹
    Simon sang gerade so laut, dass man seine Stimme im Wind noch hören konnte. Es war ein langes Lied mit vielen Versen.
    So ritten sie hinter Hotvigs Fackel durch die Berge, und Simon erzählte die Geschichte, wie Hans Mundwald verkleidet nach Erchester gelangte und Hruses Vater, ein Baron, der einen reichen Freier für seine Tochter gefunden zu haben glaubte, ganz entzückt von ihm war. Obwohl Simon ab und zu eine Pause machen musste, um wieder Atem zu holen oder sich an den Text zu erinnern, denn es war lange her, dass er das Lied von Shem gelernt hatte, wurde seine Stimme doch allmählich immer sicherer. Er sang davon, wie der listige Hans der schönen Hruse den Hof machte – ganz ehrlich, weil er sich auf den ersten Blick in sie verliebt hatte – und an der Abendtafel des Barons neben dem ahnungslosen Hauptmann der Stadtwache saß. Hans überredete den habgierigen Baron sogar, einen verzauberten Rosenbusch als Brautpreis für Hruse anzunehmen, einen Busch, dessen zarte Blüten jede einen glänzenden Gold-Imperator enthielten und der, so versicherte der vorgebliche Herzog von Blumen Hruses Vater und dem Hauptmann, alljährlich neue Münzen tragen würde, solange seine Wurzeln in der Erde ruhten.
    Erst als Simon sich dem Ende des Lieds näherte – er hatte gerade die Strophe begonnen, in der eine Bemerkung des betrunkenen RäubersOsgal Hans’ Verkleidung verriet, was dazu führte, dass ihn die Wachen des Hauptmanns gefangen nahmen –, zügelte Hotvig sein Pferd und forderte ihn mit einer Armbewegung zum Schweigen auf.
    »Ich glaube, wir sind jetzt sehr nah.« Der Thrithingmann deutete auf den Hang, der vor ihnen abfiel. Selbst durch das Schneegestöber konnte man erkennen, dass weiter vorn freies Feld lag.
    Sludig ritt zu Simon hinüber. Der frostige Atem des Rimmersmanns umgab seinen Kopf. »Sing uns den Rest des Lieds auf dem Rückweg vor, Junge. Es ist eine gute Geschichte.«
    Simon nickte.
    Hotvig rollte sich über den Sattel zu Boden und löschte die Fackel in einer Schneewehe. Er klopfte sie auf der Satteldecke ab, schob sie unter den Gürtel und drehte sich mit erwartungsvollem Blick zu Simon um.
    »Weiter«, erklärte der junge Mann.

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