Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
höchsten Adel zu Freunden gemacht – wobei die Edelleute auch nicht viel besser oder schlechter zu sein schienen als die Leute aus Küche und Keller – und als unfreiwilliger Gast in der Stadt der unsterblichen Sithi gelebt. Außer dem warmen Bett und der Sicherheit, dass es gut ausgehen würde, war das Einzige, das seinem Abenteuer offenbar fehlte, die schöne Jungfrau. Er hatte zwar eine Prinzessin kennengelernt und sie schon gemocht, als er sie noch für ein ganz gewöhnliches Mädchen hielt, aber Miriamel war längst wieder verschwunden, und Ädon allein wusste, wo sie jetzt steckte. Seitdem war weibliche Gesellschaft ungemein knapp gewesen, wenn man von Jirikis Schwester Aditu absah, die Simon allerdings eher ratlos zurückgelassen hatte. Wie eine Leopardin war sie – wunderschön, aber furchterregend. Er sehnte sich nach jemandem, der mehr wie er selbst war – nur hübscher. Er rieb sich den Flaumbart und betastete seine vorspringende Nase. Viel hübscher. Er hatte das Alleinsein satt. Er wollte einen Menschen, mit dem er reden konnte – jemanden, dem er etwas bedeutete, der ihn verstand, wie nicht einmal sein Trollfreund Binabik ihn je verstehen konnte. Jemand, mit dem er seine Gedanken teilen konnte …
Jemand, der die Sache mit dem Drachen begreift, dachte er plötzlich.
Er fühlte, wie ihm eine Gänsehaut über den Rücken lief, diesmal aber nicht vom Wind. Eine Erscheinung längst verschwundener Sithi, und sei sie noch so lebendig, war eine Sache. Es gab viele Leute mit Visionen – die Verrückten auf dem Platz der Schlachten in Erchester grölten sie einander dutzendweise zu, und Simon hatte den Verdacht, dass so etwas auf dem Sesuad’ra noch viel öfter vorkam.Aber er hatte einen wirklichen Drachen gesehen, und das konnten nur die wenigsten von sich behaupten. Er hatte vor dem Eiswurm Igjarjuk gestanden und war nicht zurückgewichen. Er hatte sein Schwert geschwungen – besser gesagt, ein Schwert, denn es wäre anmaßend, Dorn als sein Eigentum zu bezeichnen –, und der Drache war zusammengebrochen. Das war nun wirklich etwas Wunderbares, etwas, das noch keiner außer Priester Johan vollbracht hatte, und der war von allen Menschen der größte gewesen, der Hochkönig.
Natürlich hat Johan damals seinen Drachen getötet, während ich nicht glaube, dass Igjarjuk umgekommen ist. Je mehr ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir. Ich glaube nicht, dass sein Blut zu mir gesprochen hätte, wenn der Drache tot gewesen wäre. Und ich glaube auch nicht, dass ich stark genug war, ihn zu erschlagen, nicht einmal mit einem Schwert wie Dorn .
Aber das Seltsame war, dass ihn, obwohl er allen Leuten genau berichtet hatte, was auf dem Urmsheim vorgefallen war und was er jetzt darüber dachte, trotzdem einige von denen, die auf dem Abschiedsstein zu Hause waren, »Drachentöter« nannten und lächelten und ihm zuwinkten, wenn er vorbeiging. Und obwohl er versucht hatte, diesen Namen abzuschütteln, schienen sie seine Zurückhaltung für Bescheidenheit zu halten. Er hatte sogar schon gehört, wie eine der Siedlerinnen aus Gadrinsett ihren Kindern die Geschichte in einer Fassung erzählte, die lebhaft beschrieb, wie die Wucht seines Hiebes den Kopf des Drachen vom Körper getrennt hatte. Bald schon würde es gar nicht mehr darauf ankommen, was wirklich geschehen war. Menschen, die Simon, oder besser: seine Geschichte, mochten, würden darauf bestehen, dass er den gewaltigen Schneedrachen ganz allein abgeschlachtet hätte. Diejenigen, die nichts für ihn übrighatten, würden erklären, es sei alles erlogen.
Die Vorstellung, dass andere Leute Lügengeschichten über sein Leben verbreiteten, erfüllte Simon mit einigem Zorn. Irgendwie war es entwürdigend. Es waren weniger die Skeptiker, denen sein Groll galt – sie konnten ihm jenen Augenblick kristallreinen Schweigens und tiefster Stille auf dem Urmsheim nicht nehmen –, als vielmehr die anderen, die Übertreiber und Vereinfacher. Diejenigen, die eine Geschichte sorgloser Tapferkeit daraus machten, von einem freierfundenen Simon, der mit dem Schwert auf Drachen losging, bloß weil er stark genug dazu war oder weil Drachen böse waren, beschmierten mit ihren schmutzigen Fingern ein unbeflecktes Stück seiner Seele. Es ging doch um mehr, so viel mehr, das sich ihm in den blassen, ausdruckslosen Augen des Ungeheuers, in jenem brennenden Augenblick, als er im schwarzen Blut des Drachen badete, enthüllt hatte … jenes Blut hatte ihm die Welt gezeigt
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