Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
Tiamak gewartet.
Den größten Teil des Morgens trieben sie an verlassenen Häusern vorbei, deren Abstand zueinander immer größer wurde. Das Laubwerk war unverändert dicht. Miriamel betrachtete das endlose Wandbild des Pflanzenwuchses, das sich links und rechts von ihnen entrollte, und wünschte zum ersten Mal, sie wären Tiamak nicht hierher gefolgt. Das Wran wuchs so rücksichtslos, so üppig vor sich hin und war so eifrig mit sich selbst beschäftigt, dass sie sich sehr klein vorkam.Es war Camaris, der es als Erster sah, obwohl er weder sprach noch ein anderes Geräusch hervorbrachte. Nur seine Haltung, von der jähen Wachsamkeit eines anschlagenden Hundes, veranlasste die anderen, auf den Fluss zu schauen. In weiter Entfernung schwamm etwas.
»Es ist ein Flachboot!«, rief Miriamel. »Und es ist jemand drin! Er liegt auf dem Boden. Es muss Tiamak sein!«
»Jedenfalls ist es sein Boot«, bestätigte Isgrimnur, »das mit den gelbschwarzen Augen am Bug.«
»Kommt schon, Cadrach!« Miriamel stieß den Mönch so heftig am Arm an, dass er fast ins Wasser gefallen wäre. »Stakt schneller!«
»Wenn wir kentern und ertrinken«, erwiderte Cadrach mit zusammengebissenen Zähnen, »werden wir dem Marschmann wenig nützen.«
Sie näherten sich dem Flachboot. Der dunkelhaarige, braunhäutige Mann lag zusammengerollt auf dem Boden und ließ einen Arm ins Wasser hängen, als sei er bei dem Versuch, die Hand hineinzutauchen, eingeschlafen. Das Boot trieb in einem langsamen Kreis. Miriamel und ihre Gefährten gingen längsseits. Die Prinzessin stieg als Erste hinüber, was beide Boote heftig schaukeln ließ. Sie eilte dem Wranna zu Hilfe.
»Vorsicht, Herrin«, warnte Cadrach, aber schon hatte Miriamel den Kopf des kleinen Mannes in ihren Schoß gelegt. Entsetzt starrte sie auf das Blut, das das dunkle Gesicht verkrustete, und schnappte gleich darauf nach Luft.
»Das ist nicht Tiamak!«
Der Wranna, der offensichtlich sehr gelitten hatte, war kräftiger gebaut und etwas hellhäutiger als ihr Gefährte. Seine Haut war mit einer klebrigen Masse bedeckt, bei deren Geruch Miriamel unbehaglich die Nase rümpfte. Sonst war nichts festzustellen, denn der Mann lag in tiefer Bewusstlosigkeit. Als sie den Wasserschlauch an seine aufgesprungenen Lippen führte, musste Miriamel sehr genau aufpassen, damit er sich nicht verschluckte. Der Fremde trank ein paar Schlucke, ohne dass er dabei wach zu werden schien.
»Aber wie kommt dieser verflixte Marschmann zu Tiamaks Boot?«, knurrte Isgrimnur und kratzte sich mit einem Stock den Schlamm von den Absätzen seiner Stiefel. Sie waren an Land gegangen und hatten ein provisorisches Lager aufgeschlagen, um zu beraten, wie sie weiter vorgehen wollten. Der Boden war etwas morastig. »Was ist aus Tiamak geworden? Glaubt Ihr, der Kerl hat ihn überfallen?«
»Seht ihn doch an«, entgegnete Cadrach. »Der Mann könnte nicht einmal eine Katze erwürgen. Nein, die Frage ist nicht, woher er das Boot hat, sondern warum Tiamak nicht bei ihm ist – und was dieser unglückliche Bursche hier durchgemacht hat. Vergesst nicht, er ist der Erste von Tiamaks Volk, den wir zu Gesicht bekommen, seit wir Kwanitupul verlassen haben und in die Marschen gegangen sind.«
»Das ist wahr.« Miriamel betrachtete den Fremden. »Vielleicht ist ihm ja das Gleiche widerfahren wie den Leuten aus Tiamaks Dorf. Oder vielleicht wollte er davor weglaufen … oder … oder sonst etwas.« Sie zog die Stirn in Falten. Anstatt ihren Führer zu finden, waren sie auf ein neues Geheimnis gestoßen, das alles noch viel komplizierter und unangenehmer machte. »Was sollen wir tun?«
»Wir müssen ihn wohl mitnehmen«, antwortete Isgrimnur. »Wenn er aufwacht, wollen wir ihm Fragen stellen, auch wenn nur Ädon weiß, wie lange das dauern wird. Doch eigentlich fehlt uns die Zeit dazu.«
»Ihm Fragen stellen?«, murmelte Cadrach. »Und wie, Herzog Isgrimnur, fangen wir das an? Tiamak hat selbst gesagt, er sei eine Seltenheit unter seinesgleichen.«
»Was meint Ihr?«
»Ich bezweifle, dass dieser Mann etwas anderes spricht als die Sprache des Wran.«
»Verdammt! Verdammt, verdammt und dreimal verdammt!« Der Herzog errötete. »Um Vergebung, Prinzessin Miriamel. Aber er hat recht.« Er sann einen Augenblick nach und zuckte dann die Achseln. »Aber was haben wir sonst für eine Möglichkeit? Wir müssen ihn mitnehmen.«
»Vielleicht kann er Bilder oder Karten für uns malen«, schlug Miriamel vor.
»Ja!« Isgrimnur war
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