Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
Osten Ard der Länge und der Breite nach erzählte, waren Camaris beinahe peinlich.
Nachdem Tallistro von Perdruin im ersten Thrithingkrieg durch einen Hinterhalt umgekommen war – ein Verrat, den fast so viele Lieder berühmt gemacht haben, wie es sie von Camaris’ Heldentaten gibt –, blieb nur noch Johan selbst als möglicher Rivale um Camaris’ Titel als größter Krieger der Ädonheit übrig. Allerdings wäre wohl niemand auf den Gedanken gekommen, dass selbst Priester Johan, so mächtig er auch war, Herrn Camaris im offenen Kampf besiegen könnte. Und nach der Schlacht von Nerulagh, in der sie einander zum ersten Mal begegnet waren, vermied es Camaris sorgfältig, auch nur einen Übungskampf mit Johan auszufechten, um das empfindliche Gleichgewicht ihrer Freundschaft nicht zu stören. Doch während Camaris’ Begabung ihm eine schwere Last bedeutete und das Führen von Kriegen – selbst solchen, die die Mutter Kirche gebilligt und, könnten manche sagen, gelegentlich sogar geschürt hatte – für Nabbans größten Ritter eine Prüfung und einen Quell des Kummers darstellte, war Priester Johan ein Mann, der nirgends glücklicher zu sein schien als auf dem Schlachtfeld. Er war nicht grausam. Seinen unterlegenen Gegnern ließ er stets Gerechtigkeit widerfahren, ausgenommen den Sithi, die er mit einer ganz persönlichen, heftigen Abneigung verfolgte und so lange jagte, bis sie fast völlig aus den Augen der Menschheit verschwanden. Doch weil manche dagegenhalten, Sithi seien keine Menschen und hätten keine Seelen – ein Glaube, den ich nicht teile –, könnte man zumindest sagen, dass alle menschlichen Feinde Johans so behandelt wurden, wie es noch von den gewissenhaftesten Männern der Kirche als gerecht und barmherzig anerkannt werden musste. Seinen Untertanen, sogar den heidnischen Hernystiri, war Johan ein großmütiger König. Nur wenn man den Teppich des Krieges vor ihm ausbreitete, verwandelte er sich in einen gefährlichen Feind. So kam es, dass die Mutter Kirche, in deren Namen er seine Eroberungen machte, ihm aus Dankbarkeit und vielleicht aus einer gewissen leisen Furcht heraus – den Namen ›Das Schwert des Herrn‹ gab.
So ging der Streit damals, und so geht er noch heute: Wer war der Größere von beiden? Camaris, der geschickteste Schwertkämpfer seit Menschengedenken?Oder Johan, kaum weniger geschickt, aber ein Führer von Menschen und selbst ein Mensch, der einen gerechten und frommen Krieg freudig begrüßte?
Binabik räusperte sich. »Und während er nun von dieser noch immer andauernden Auseinandersetzung erzählt, fährt Morgenes noch mehrere Seiten damit fort, seine eigene Meinung über diese Frage zu erläutern, die damals von großer Wichtigkeit war oder von der man zumindest glaubte, sie sei wichtig.«
»Also tötete Camaris besser als König Johan, tat es aber weniger gern?«, fragte Simon. »Warum ließ er es dann nicht bleiben? Warum wurde er kein Mönch oder Einsiedler?«
»Ah, aber das genau ist der Kernpunkt dessen, nach dem du vorhin gefragt hast, Simon«, erklärte Binabik, die dunklen Augen eindringlich auf seinen Freund gerichtet. »Das ist, weshalb das Schreiben großer Denker uns anderen von solchem Hilfsreichtum ist. Hier hat Morgenes die Worte und Namen anders gewählt, aber seine Frage ist die gleiche wie deine: Ist es richtig zu töten, wenn es dein Gebieter oder dein Heimatland oder deine Kirche von dir verlangen? Und ist es besser, zu töten, aber es nicht gern zu tun, als lieber gar nicht zu töten, dann aber vielleicht böse Dinge zu sehen, die denen geschehen, die man liebt?«
»Gibt Morgenes darauf eine Antwort?«
»Nein.« Binabik schüttelte den Kopf. »Wie ich sagte – der Weise weiß, dass diese Fragen keine wirklichen Antworten besitzen. Das Leben besteht aus solchen Überlegungen und den Antworten, die jeder Einzelne für sich selbst findet.«
»Es wäre schön, Binabik, wenn du mir nur ein einziges Mal sagen würdest, es gebe auf irgendetwas eine Antwort. Ich habe das viele Grübeln satt.«
Der Troll lachte. »Die Strafe für das Geborenwerden … nein, das ist vielleicht zu viel. Die Strafe für das wirklich lebendig Sein – das wäre richtig. Willkommen, Simon, in der Welt derer, die jeden Tag aufs Neue dazu verdammt sind, nachzudenken und sich Fragen zu stellen und es nie mit Genauigkeit zu wissen.«
Simon schnaubte. »Vielen Dank.«
»Ja, Simon.« In Strangyeards Stimme lag ein sonderbarer, düsterer Ernst. »Willkommen. Ich bete,
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