Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
irgendetwas anderes erinnern, das Ihr dort unten sagen musstet, Tiamak?«, fragte die Prinzessin. »Ist es möglich, dass Cadrach recht hat?«
Tiamak schien nicht gern darüber sprechen zu wollen. Er musterte den Mönch vorsichtig. »Ich weiß nicht. Ich verstehe nicht viel von … von Zauberei und alten Büchern. Fast gar nichts.« Er verstummte.
»Ich fand die Ghants vorher schon widerlich«, sagte Miriamel nach einer Weile. »Aber wenn das stimmt – wenn sie wirklich ein Teil der Macht sind, gegen die Josua und die anderen kämpfen …« Sie wickelte die Arme um ihren Körper. »Nun, je schneller wir von hier wegkommen, desto besser.«
»Darin sind wir uns alle einig«, brummte Isgrimnur.
In dieser Nacht, während das Boot sacht im trägen Wasser schaukelte und Miriamel träumte, sprachen hinter einem Schleier aus Schatten Stimmen zu ihr, dünne, beharrliche Stimmen, die von Verfall und Verlust flüsterten wie von erfüllten Herzenswünschen.
Miriamel erwachte unter fahlen Sternen und begriff, dass sie trotz ihrer Begleiter unendlich einsam war.
Tiamaks Genesung machte nur langsame Fortschritte. Einen Tag nach der Bestattung von Jüngerem Mogahib verfiel er von neuem in eine Art Fieber, das ihn geschwächt und lustlos zurückließ. In der Dunkelheit suchten ihn schreckliche Träume heim, Gesichte, an die er sich morgens nicht mehr erinnerte, aber unter denen er sich im Schlaf krümmte und laut schrie. Seine nächtlichen Folterqualen ließen auch die anderen kaum Ruhe finden.
Weitere Tage vergingen, aber das Wran war hartnäckig wie ein Gast, der nicht länger willkommen ist. Für jede Meile Marsch, die sie hinter sich brachten – schwimmend unter dem dunstigen Himmel oder watend durch klebrigen, stinkenden Schlamm, das schwere Flachboot mühsam im Schlepptau –, dehnte sich eine weitere Meile vor ihnen zum Horizont. Miriamel hatte allmählich das Gefühl, ein böser Zauberer treibe sein Spiel mit ihnen und hexe sie jede Nacht, wenn sie in seichtem Schlaf lagen, wieder an ihren Ausgangspunkt zurück.
Die ständig über ihnen surrenden Insekten, die sich ein Vergnügen daraus machten, ihre empfindlichsten Stellen zu finden, die umwölkte, aber stechende Sonne, die Luft, die so heiß und feucht war wie der Dampf über einer Suppenschüssel, das alles trug dazu bei, die Geduld der Reisenden auf eine harte Probe zu stellen – der sie nicht immer gewachsen waren. Selbst der Regen, der endlich kam und zuerst als großer Segen begrüßt wurde, erwies sich als zusätzlicher Fluch. Drei Tage hielten die eintönigen, blutwarmen Güsse an, bis Miriamel und ihre Gefährten sich vorkamen, als klopften Dämonen mit kleinen Hämmern auf ihren Köpfen herum. Die vielen Unannehmlichkeiten begannen sich sogar auf das Gemüt des alten Camaris auszuwirken, den bisher fast alles ungerührt gelassen hatte. Seine Ruhe war so groß, dass er die beißenden Insekten ungestraftüber seine Haut krabbeln ließ, ein Anblick, bei dem Miriamel ein unwiderstehlicher Juckreiz befiel. Aber die drei Tage und Nächte, in denen es ohne Pause regnete, blieben am Ende auch auf den alten Ritter nicht ohne Wirkung. Während sie durch den Sturm des dritten Tages dahinstakten, zog er sich den Hut, den er sich aus Palmwedeln geflochten hatte, tiefer über die weißen Brauen und starrte kummervoll in den vom Regen aufgewühlten Fluss. Sein langes Gesicht war so traurig, dass Miriamel schließlich zu ihm hinüberkletterte und den Arm um ihn legte. Etwas in seiner Haltung zeigte ihr, dass er für die Berührung dankbar war, obwohl er es nicht deutlich zum Ausdruck brachte. Aber jedenfalls blieb er eine Weile so sitzen und schien ein wenig zufriedener zu sein. Miriamel staunte über seinen breiten Rücken und die festen Schultern, fast ungehörig kraftvoll für einen alten Mann.
Tiamak fiel es schwer, sich auch nur sitzend aufrechtzuhalten. In eine Decke gewickelt, gab er mit klappernden Zähnen Anweisungen. Er versicherte ihnen, sie hätten den Nordrand des Wrans fast erreicht, aber das erzählte er ihnen seit Tagen, und seine Augen hatten neuerdings einen eigentümlich glasigen Blick. Miriamel und Isgrimnur waren darum bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie besorgt sie waren. Cadrach, der mehr als einmal kurz vor einer Schlägerei mit dem Herzog zu stehen schien, beurteilte ihre Aussichten unverhohlen als schlecht. Schließlich erklärte ihm Isgrimnur, sie würden ihn über Bord werfen, wenn er nicht sofort seine Unkenrufe einstellte. Falls er
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