Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
Neu-Gadrinsett. »Jawohl, Prinz Josua.«
Sludig trat vor und forderte Lenti mit einer ruckartigen Kopfbewegung auf, ihm zu folgen.
»Ich halte nicht viel von diesem Boten«, meinte Simon, als die beiden das Zelt verlassen hatten.
Josua las das Pergament noch einmal. »Ein Dummkopf«, stimmte er zu, »eingebildet ohne jeden Grund, unfähig selbst zu solch einfachen Dingen. Aber verwechselt Streáwe nicht mit seinen Dienern – der Herr von Perdruin ist so gerissen wie nur ein Beutelschneider auf dem Marktplatz. Trotzdem spricht es nicht für ihn, wenn er keinen überzeugenderen Boten für sein Angebot findet.«
»Was hat er denn versprochen?«, fragte Simon.
»Graf Streáwe behauptet, er könne mir Nabban in die Hände spielen.« Er stand auf und ließ das Pergament in seinen Ärmel gleiten. »Natürlich lügt der alte Herr, aber sein Vorschlag bringt mich auf ein paar interessante Gedanken.«
»Das verstehe ich nicht.«
Der Prinz lächelte. »Seid froh, dass Ihr Leuten wie Streáwe noch nicht begegnet seid.« Er klopfte Simon auf die Schulter.
»Vorläufig, junger Ritter, möchte ich lieber noch nicht darüber sprechen. Zeit und Ort dafür ist der Raed.«
»Wollt Ihr Eure Versammlung jetzt einberufen?«
Josua nickte. »Es ist Zeit. Ausnahmsweise werden wir die Musik machen – und dann sehen, ob es uns gelingt, meinen Bruder und seine Verbündeten danach tanzen zu lassen.«
»Das ist eine äußerst fesselnde Art der Täuschung, du schlauer Seoman.« Aditu schaute auf das Shent -Spiel, das sie aus Holz, Wurzelfarben und glatten Steinen gefertigt hatte. »Ein falscher Angriff, falsch gespielt, eine Finte, die als trügerisch entlarvt wird, in Wirklichkeit aber dem wahren Plan entspricht. Sehr hübsch. Aber was tust du, wenn ich meine Steine hierhin setze … und dahin … und dorthin?« Sie ließ die Tat den Worten folgen.
Simon runzelte die Stirn. Im trüben Licht seines Zeltes konnte er die Bewegungen ihrer Hand kaum verfolgen. Einen unangenehmen Augenblick fragte er sich, ob sie vielleicht mogelte. Aber sofort fiel ihm ein, dass Aditu es gar nicht nötig hatte, einen Gegner zu betrügen,für den die wirklichen Feinheiten des Shent noch immer ein Buch mit sieben Siegeln waren – so wenig wie er einem kleinen Kind beim Wettlauf ein Bein stellen würde. Aber es brachte ihn auf eine interessante Frage.
»Kann man bei diesem Spiel eigentlich betrügen?«
Aditu, die gerade ihre Spielsteine ordnete, blickte auf. Sie trug eines von Varas losen Kleidern, und der ungewöhnlich zurückhaltende Anzug und die offenen Haare ließen sie etwas weniger wild und gefährlich als sonst aussehen. Sie wirkte bestürzend menschlich. Im Schein des Kohlenbeckens schimmerten ihre Augen. »Betrügen? Du meinst lügen? Ein Spiel kann so trügerisch sein, wie die Spieler es wollen.«
»Nein, das meine ich nicht. Ich möchte wissen, ob Ihr absichtlich etwas tun könnt, das gegen die Regeln ist.«
Ihre Schönheit hatte etwas Unheimliches. Er starrte sie an und dachte an die Nacht, in der sie ihn geküsst hatte. Was hatte das bedeutet? Überhaupt etwas? Oder war es nur eine andere Art für sie, mit ihrem einstigen Schoßhund zu spielen?
Sie erwog seine Frage. »Ich weiß nicht, wie ich dir antworten soll. Könntest du die Gestalt betrügen, in der du geschaffen bist, indem du mit den Armen schlägst und fliegst?«
Simon schüttelte den Kopf. »Ein Spiel mit so vielen Regeln muss auch Möglichkeiten bieten, sie zu brechen.«
Bevor Aditu zu einer weiteren Antwort ansetzen konnte, kam atemlos und ganz außer sich Jeremias hereingestürzt. »Simon!«, schrie er und verstummte erschrocken, als er Aditu bemerkte. »Verzeiht.« Trotz seiner Verlegenheit konnte er sich kaum beherrschen.
»Was ist denn?«
»Es sind Leute gekommen!«
»Wer? Was für Leute?« Simon warf einen kurzen Blick auf Aditu, die jedoch wieder in das Studium der vor ihr liegenden Steine vertieft war.
»Herzog Isgrimnur und die Prinzessin!« Jeremias fuchtelte heftig mit den Armen. »Und noch andere! Ein seltsamer kleiner Mann, ein bisschen wie Binabik und die Trolle, aber fast so groß wie wir. Undein alter Mann, der noch länger ist als du. Simon, die ganze Stadt ist auf den Beinen, um sie zu empfangen!«
Einen Augenblick blieb Simon still sitzen. In seinem Kopf drehte sich alles. »Die Prinzessin?«, flüsterte er endlich. »Prinzessin … Miriamel?«
»Ja! Ja!«, keuchte Jeremias. »Angezogen wie ein Mönch, aber sie hat die Kapuze abgenommen und gewinkt.
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