Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
wieder auf, »was sagten sie? Was taten sie?«
»Sie redeten, junges Mädchen, aber ich weiß nicht, worüber. Sie sprachen die ganze Nacht, aber ich saß an Deck, allein mit der See und meinen Liedern. Es ist nicht meine Aufgabe, den Schiffsherrn zu bespitzeln. Solange niemand das Schiff in Gefahr bringt, steht es mir nicht zu, irgendetwas anderes zu tun als das, wozu ich geboren bin: die Kilpa in die Tiefe zu singen.«
»Aber Ihr brachtet mir Cadrachs Brief.« Miriamel blickte sich um und vergewisserte sich, dass die Tür zum Gang geschlossen war. »Das wäre Aspitis auch nicht recht gewesen.«
Zum ersten Mal zeigte sich eine Spur von Unzufriedenheit in Gan Itais goldenen Augen. »Das stimmt, aber ich schadete damit dem Schiff nicht.« Ein trotziger Ausdruck trat auf das gefurchte Gesicht. »Wir sind Niskies und keine Sklaven. Wir sind ein freies Volk.«
Sie und Miriamel musterten einander einen Augenblick. Die Prinzessin wandte den Blick als Erste ab. »Ich will eigentlich auch gar nicht wissen, wovon sie geredet haben. Ich habe diese Männer und ihre Kriege und ihr Gezänk gründlich satt. Ich möchte nur weg von hier und in Frieden gelassen werden – irgendwo in ein Loch kriechen und nie wieder herauskommen.«
Die Niskie antwortete nicht und schaute sie nur an.
»Trotzdem werde ich nie über fünfzig Meilen offenes Wasser entkommen.« Die Sinnlosigkeit dieses Gedankens lastete auf ihr, machte sie schwer von Verzweiflung. »Werden wir bald wieder einen Hafen anlaufen?«
»Wir werden auf einigen Inseln in der Bucht von Firannos anlegen. Spenit, vielleicht Risa – ich weiß nicht genau, welche Aspitis ausgesucht hat.«
»Vielleicht finde ich dort einen Weg zur Flucht. Aber bestimmtwird man mich streng bewachen.« Das bleierne Gefühl schien noch stärker zu werden. Plötzlich flackerte eine Idee in ihr auf. »Verlasst Ihr nie das Schiff, Gan Itai?«
Die Seewächterin betrachtete sie prüfend. »Selten. Aber auf Risa wohnt eine Familie von Tinukeda’ya – von Niskies, der Clan Injar. Ich habe sie ein paarmal besucht. Warum fragst du?«
»Wenn Ihr das Schiff verlassen dürft, könntet Ihr vielleicht eine Botschaft von mir mitnehmen. Gebt sie jemandem, der sie an meinen Onkel Josua weiterleiten kann.«
Gan Itai runzelte die Stirn. »Gern will ich das tun, aber ich bin nicht sicher, ob er sie jemals erhalten wird. Ein großes Glück wäre es.«
» Aber was bleibt mir sonst übrig?«, seufzte Miriamel. »Natürlich ist es töricht. Aber vielleicht nützt es doch etwas, und welche anderen Möglichkeiten habe ich schon?« Plötzlich schossen ihr Tränen in die Augen. Zornig wischte sie sie ab. »Niemand kann etwas tun, auch wenn alle wollen. Aber ich muss es trotzdem versuchen.«
Gan Itai starrte sie erschrocken an. »Weine nicht, Kind. Ich komme mir dann so grausam vor, weil ich dich aus deinem Versteck im Laderaum hervorgezerrt habe.«
Miriamel winkte mit tränenfeuchter Hand ab. »Man hätte uns auch so gefunden.«
Die Niskie beugte sich vor. »Vielleicht hat dein Begleiter einen Einfall, wem man deine Nachricht übergeben kann oder was du hineinschreiben solltest. Er ist ein weiser Mann.«
»Cadrach?«
»Ja. Schließlich kannte er den wahren Namen der Kinder des Seefahrers.« Ihre Stimme klang ernst, aber stolz, als zeuge es von göttlicher Weisheit, wenn man den Namen ihres Volkes kannte.
»Aber wie …« Miriamel verschluckte den Rest ihrer Frage. Selbstverständlich wusste Gan Itai, wie man an Cadrach herankam. Sie hatte ja bereits eine Nachricht von ihm überbracht. Aber Miriamel wusste nicht recht, ob sie den Mönch überhaupt sehen wollte. Er hatte ihr so viel Schmerz verursacht, solchen Zorn in ihr entfesselt.
»Komm.« Gan Itai erhob sich von ihrem Strohsack. Sie kam soleicht auf die Füße wie ein junges Mädchen. »Ich werde dich zu ihm führen.« Sie spähte durch das schmale Fenster. »Es wird noch fast eine Stunde dauern, bevor sie ihm Essen bringen. Das lässt uns viel Zeit für eine freundschaftliche Unterhaltung.« Sie grinste und durchquerte behende den kleinen Raum. »Kannst du in diesem Kleid klettern?«
Die Niskie ließ ihre Finger unter ein Brett der kahlen Wand gleiten und zog. Ein Stück Täfelung, so genau eingepasst, dass es fast unsichtbar gewesen war, sprang heraus. Gan Itai legte es auf den Boden. Dahinter zeigte sich ein dunkles Loch, ausgekleidet mit verpichten Balken.
»Wohin führt das?«, fragte Miriamel überrascht.
»Nirgendwo im Besonderen«, antwortete Gan
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