Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
entfernt tanzten drei kleine Gegenstände im Kielwasser. Als Miriamel genauer hinsah, schwamm einer der Gegenstände näher heran, öffnete ein rotes Mundloch und heulte. Die gurgelnde Kilpastimme klang weit über das ruhige Wasser. Miriamel machte vor Schreck einen Satz. Bei ihrer Bewegung drehten sich ihr alle drei Köpfe zu. Nasse, schwarze Augen glotzten, Mäuler standen töricht offen. Miriamel wich einen Schritt von der Reling zurück, schlug das Zeichen des Baumes und drehte sich dann um, den leeren Augen zu entfliehen. Dabei hätte sie um ein Haar Thures umgerannt, den jungen Pagen, der Graf Aspitis bediente.
»Herrin Marya«, grüßte er und wollte sich verbeugen, stand jedoch zu dicht vor ihr. Er stieß mit dem Kopf gegen ihren Ellenbogen und gab einen kleinen, quietschenden Schmerzenslaut von sich. Als sie die Hand ausstreckte, um ihn zu beruhigen, entzog er sich ihr verlegen. »Seine gräfliche Gnaden möchten Euch sprechen.«
»Wo, Thures?«
»Kabine.« Er nahm sich zusammen. »In seiner Kabine, Herrin.« »Danke.«
Der Junge machte kehrt, wie um voranzugehen, aber von neuem hatte eine Bewegung unten im Wasser Miriamels Blicke auf sieh gezogen. Einer der Kilpa hatte sich von den anderen gelöst und schwamm jetzt langsam neben dem Schiff her. Die leeren Augen auf sie gerichtet, hob das Meerwesen eine glatte, graue Hand aus den Wellen und strich mit den langen Fingern über den Schiffsrumpf, als suche es beiläufig nach einem Halt zum Klettern. Miriamel sah mit gebanntem Grauen zu. Sie war unfähig, sich zu rühren. Nach einer kleinen Weile ließ das unangenehm menschenähnliche Geschöpf sich wieder zurücksinken und verschwand geschmeidig im Meer, um wenige Augenblicke später ein Stück vom Schiff entfernt wieder aufzutauchen. Dort trieb es ruhig dahin. Sein Maul glitzerte, die Kiemen am Hals dehnten und schlossen sich. Miriamel stand da und starrte, festgewurzelt wie in einem Alptraum. Endlich riss sie den Blick los und zwang sich, von der Reling zurückzutreten. Der junge Thures betrachtete sie neugierig.
»Herrin?«
»Ich komme.« Sie folgte ihm und warf nur noch einen letzten Blick zurück. Im Kielwasser des Schiffs tanzten die drei Köpfe wie die Posen von Fischernetzen.
In dem engen Gang vor Aspitis’ Kabine ließ Thures sie stehen und huschte wieder die Leiter hinauf, vermutlich um andere Aufträge auszuführen. Miriamel nutzte den Augenblick des Alleinseins, um ihre Fassung zurückzugewinnen. Sie konnte den Gedanken an die boshaften Augen des Kilpa und seine gelassene und absichtsvolle Annäherung an das Schiff nicht abschütteln. Und wie er sie angestarrt hatte – fast unverschämt, als wollte er sie herausfordern: Versuch doch, mich aufzuhalten! Miriamel schauderte.
Leise, klimpernde Geräusche aus der Kabine des Grafen unterbrachen ihr Grübeln. Die Tür war nicht ganz geschlossen. Miriamel trat näher und lugte durch den Spalt.
Aspitis saß an seinem kleinen Schreibtisch, vor sich ein aufgeschlagenesBuch, dessen Pergamentblätter im sandfarbenen Lampenlicht glänzten. Der Graf schob zwei weitere Häufchen Silbermünzen vom Tisch in einen Beutel und ließ dann den klirrenden Beutel in eine offene Truhe zu seinen Füßen fallen, die mit ähnlichen Säckchen fast bis an den Rand gefüllt zu sein schien. Anschließend vermerkte er etwas in seinem Buch.
Ein Brett knarrte, Miriamel wusste nicht, ob unter ihrem Gewicht oder durch die Bewegung des Schiffs. Eilig zog sie sich zurück, bevor Aspitis aufblicken und sie im schmalen Spalt der offenen Tür erkennen konnte. Gleich darauf machte sie wieder einen Schritt vorwärts und klopfte kräftig an.
»Aspitis?«
Sie hörte ihn mit gedämpftem Knall das Buch zuschlagen, danach ein anderes Geräusch, vermutlich das Scharren der über den Boden geschleiften Truhe.
»Ja, Herrin. Tretet ein.«
Sie stieß die Tür auf, ging hindurch und schloss sie dann sacht, ohne den Riegel herunterfallen zu lassen. »Ihr fragtet nach mir?«
»Setzt Euch, schöne Marya.« Aspitis zeigte auf sein Bett, aber Miriamel tat, als hätte sie seine Geste nicht bemerkt, und ließ sich stattdessen auf einem Hocker an der gegenüberliegenden Wand nieder. Einer von Aspitis’ Jagdhunden rückte beiseite, um ihren Füßen Platz zu machen, klopfte mit dem dicken Schwanz und schlief wieder ein. Der Graf trug das Gewand mit dem Fischadlerwappen, das sie bei ihrem ersten gemeinsamen Abendessen so bewundert hatte. Jetzt schaute sie auf die goldgestickten Klauen, so
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