Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
Rat.«
Ihrer Stimme war zu entnehmen, dass dieser Rat mindestens ebenso wertvoll war, wie das, was der Spiegel hätte verkünden können. »Wenn die Götter wirklich wollen, dass Ihr ihre Botschaft begreift, dann tut, was der Traum von Euch verlangt.« Sie wischte den Spiegel rasch mit einem weißen Tuch ab und legte ihn wieder in seine Nische an der Höhlenwand.
»Und was wäre das?«
Diawen zeigte nach oben, als meinte sie die Decke der Höhle.
»Steigt hinauf zum Gipfel.«
Maegwin merkte, dass ihre Stiefel auf dem schneeglatten Fels ins Rutschen gerieten. Schnell streckte sie die in dicken Fäustlingen steckende Hand aus, um sich an einem Felsvorsprung neben dem steilenPfad festzukrallen. Sie knickte in den Knien ein und schob ganz langsam die Füße unter den Körper, bis sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Dann richtete sie sich auf und spähte den weißen Abhang hinunter, zurück auf die gefährliche Strecke, die sie bereits geklettert war. Ein Ausgleiten konnte leicht dazu führen, dass sie vom schmalen Steg abstürzte. Nichts würde ihren Fall bremsen als ein paar Baumstämme, an denen sie sich den Schädel einschlagen würde, lange, bevor sie unten ankam.
Sie stand keuchend da und stellte leicht erstaunt fest, dass sie eigentlich keine Angst hatte. Gewiss bedeutete ein solcher Sturz den Tod, so oder so – entweder sofort oder mit gebrochenen Gliedern und hilflos auf einem verschneiten Berg des Grianspog. Aber Maegwin war im Begriff, ihr Leben in die Hände der Götter zu geben, und was bedeutete es da schon für einen Unterschied, ob sie es jetzt nahmen oder später? Außerdem war es wundervoll, wieder unter freiem Himmel zu atmen, so kalt und grimmig dieser Himmel auch sein mochte. Sie schob sich ein Stückchen näher an die Außenkante des Pfads und schaute nach oben. Zwischen ihr und ihrem Ziel lag noch fast die Hälfte des Bergs. Bradach Tor ragte aus der Bergzinne hervor wie der Bug eines steinernen Schiffes mit schwarzer, nackter, vom Schnee der Hänge nicht bedeckter Unterseite. Wenn sie kräftig ausschritt, konnte sie den Gipfel erreichen, bevor die matte Morgensonne, die ihr jetzt voll ins Gesicht schien, weit über den Mittag hinausgewandert war.
Maegwin schulterte ihren Rucksack und wandte die Aufmerksamkeit wieder dem Pfad zu. Befriedigt stellte sie fest, dass das Schneegestöber die frischen Spuren ihrer Schritte schon fast verweht hatte. Unten am Fuß, wo sie den Aufstieg begonnen hatte, waren ihre Stapfen sicher längst verschwunden. Falls Skalis Rimmersmänner in diesem Gebiet des Grianspog herumspionierten, würde nichts darauf hindeuten, dass dort jemand vorbeigekommen war. Die Götter leisteten ihren Beitrag. Das war ein gutes Zeichen.
Der steile Pfad zwang sie, die meiste Zeit vornübergebeugt zu gehen und sich überall festzuklammern, wo sie Halt fand. Sie empfand einen kleinen, bitteren Stolz auf ihre körperliche Stärke, auf die Art, wie ihre Muskeln sich streckten und wieder zusammenzogenund sie so schnell wie die meisten Männer den Hang hinaufbeförderten. Maegwin hatte ihre Größe und Kraft stets mehr als Fluch denn als Segen betrachtet. Sie wusste, dass die meisten Menschen sie für unweiblich hielten, und hatte sich den größten Teil ihres Lebens darum bemüht, zu tun, als kümmere sie das nicht. Aber trotzdem war es ungemein befriedigend, zu spüren, wie ihre tüchtigen Glieder für sie arbeiteten. Betrüblicherweise war es allerdings gerade ihr Körper, der ihr bei der Erfüllung ihrer Bestimmung im Weg stand. Nun, sie würde sich von ihm trennen können, wenn es sein musste. Weit schwerer war es gewesen, sich gegen Eolair zu stellen und zu tun, als verachte sie ihn, obwohl ihre wirklichen Gefühle das genaue Gegenteil besagten. Aber sie hatte es geschafft, auch wenn ihr beim Gedanken daran übel wurde. Manchmal musste man sein Herz verhärten, wollte man die Gebote der Götter erfüllen.
Der Aufstieg wurde nicht leichter. Der verschneite Pfad, dem sie folgte, war kaum mehr als eine Tierspur. An vielen Stellen verschwand er ganz und zwang sie, mühsam über vorstehende Felsblöcke zu klettern und darauf zu vertrauen, dass das blattlose Heidegestrüpp oder die Äste windzerzauster Bäume ihr Gewicht lange genug aushielten, bis sie sich an einer anderen, einigermaßen sicheren Stelle hinaufziehen konnte.
Mehrmals hielt sie an, um wieder zu Atem zu kommen, die durchnässten Handschuhe auszuwringen und sich wieder Gefühl in die Finger zu reiben. Die wolkige
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