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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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Proportionen setzten, diese unverzüglich – oder doch zumindest sobald sie über den Schock hinweg ist, daß Sie ihr dabei zusehen –, Ihnen ein Netz spinnen muß, mit einer solchen Geschwindigkeit, Sicherheit und Festigkeit, als hätten Sie es so bestellt. Nein, leider bin ich nicht selbst darauf gekommen. Erst ein Verbrechen machte mich darauf aufmerksam. Ein französischer Krimineller, der aus der alten Geschichte darüber, wie eine Protestantenfamilie ihren Verfolgern entkam, indem die Vorsehung eine Spinne ein Netz über die Tür weben ließ, durch die sie erst vor kurzem geschlüpft waren, lernte, daß er auf diese Weise seine Spuren vor jedem flüchtigen Blick der Polizei verbergen konnte.
    Jawohl, man kann eine ganze Menge mit Insekten machen. Sie kennen keine Mattigkeit, keine Stimmungen. Im Grunde lenkt man eine Maschine, wenn man die genauen Bedingungen kennt, die ihre elektromagnetischen Schalter in Bewegung setzen. Aber ich kann sagen, daß mir, sobald meine Gedanken auf diese Spur gekommen waren, klar war, daß ich das echte, natürliche Spinnennetz studieren mußte, und ich habe – zumindest auf meiner Seite des Spiels von Verbrecher und Detektiv – etwas Nützlicheres daraus gelernt als einfach nur die Möglichkeit, mich zu verstecken. Fäden werden schließlich schon seit langem benutzt, um zu beweisen, daß jemand einen bestimmten Weg genommen hat. Ein Spinnennetz ist in diesem Falle mit Abstand das Beste. Es ist ja offensichtlich, wie nützlich es ist, wenn man sie dazu bringen kann, Lücken zu überspinnen, die man auf diese Weise markiert haben will.
    Aber sie verraten einem nicht nur, ob jemand vorbeigegangen ist. Ich habe entdeckt, daß sie einem – innerhalb einer gewissen Zeitspanne – auch verraten, wie lange es her ist, daß der Betreffende vorüberkam. Sie bemerken die Spur des Eindringlings und markieren sie, wie leichtfüßig und sanftfingrig er auch sein mag. Der ordentlichste Fassadenkletterer, der seinen Einbruch so behutsam und so sehr nach Gentlemanart begeht, daß er niemals ohne Handschuhe käme, kann nicht verhindern, daß er ein Spinnennetz zerreißt, und er wird es nicht bemerken, wenn es geschieht. Das Netz hat auf jedem seiner Querfäden – nicht auf den Radialen, nur auf den Lateralen – jene klebrigen Flecken, mit denen die Fliegen gefangen werden. Ich entdeckte, daß sich, wenn das Netz zerrissen wird und die Quer- und Längsfäden aneinandergeraten, das ganze Netz binnen kurzem zersetzt, vielleicht weil der Klebstoff eine starke Säure enthält (das weiß ich nicht genau). Und ich bin mir ziemlich sicher, daß ich auf der Grundlage dieser Arbeiten durch das Studium eines zerrissenen Netzes auf einen Tag oder zwei genau bestimmen kann, wann es zerrissen wurde.
    Ich stellte also fest, daß einige Tage vor uns jemand ebenfalls dort hinaufgegangen war, und zwar jemand, der es tat, ohne daß die Haushälterin etwas davon wußte. Dann konnte ich wieder Atem holen, und wir konnten uns daranmachen, den Blick in die Ferne schweifen zu lassen. Doch wiederum waren Sie ein wenig enttäuscht von mir, denn ich verbrachte die meiste Zeit mit dem, was nach Ihren Begriffen die weniger attraktive Aussicht war. Das traf für jeden zu, der auf andächtiges Betrachten aus war; doch mir ging es ja darum, zu ergründen, was geschehen war. Also finden Sie mich ein zweites Mal innehaltend auf den Knien. Doch glauben Sie mir, während ich so dort kniete und, wie ich Ihnen ehrlich sagte, nachdachte, studierte ich auch die Aussicht, die alles andere in die rechte Perspektive rückte. Denn nun konnte ich von der breiten Regenrinne, die hinter der Brüstung verläuft, hinunter in den hiesigen Garten spähen, in der exakten Gegenrichtung des Blickes, den wir von hier unten hinaufwerfen können.«
    Mr. M. wies auf die Lücke im Laubendach.
    »Ich blickte durch diese Lücke, und selbst wenn ich nicht gewußt hätte, wonach ich Ausschau halten mußte, wäre mein Auge direkt zu diesem Sitzplatz geführt worden – ich hätte ihn ins Visier genommen.«
    »Aber, lieber Meister«, unterbrach ich ihn, »Sie vergessen, daß auch ich nach hier hinunterblickte und daß mir nichts Besonderes auffiel. Ja, ich bezweifle, daß man dieses Loch von dort oben überhaupt erkennen kann; denn der Sitzplatz, von dem Sie sagen, Sie hätten ihn von oben gesehen, ist ja seinerseits grüngescheckt. Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, daß man ihn von dort oben eindeutig ausmachen könnte.«
    »Und wieder haben Sie

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