Das Geheimnis der Hebamme
Innersten verbarg sie Gedanken, von denen er nie erfahren durfte. Von allen Männern, die sie kannte, fühlte sie sich zu Christian am meisten hingezogen. Obwohl oder gerade weil sich Christian nach Luitgards Vermählung mit Randolf um keine der jungen Damen auf dem Burgberg ernsthaft bemüht hatte, sondern allen gegenüber nur distanzierte Höflichkeit zeigte, war der gut aussehende und verwegene Ritter Anlass vieler Gespräche und heimlicher Seufzer unter den Frauen und schmachtender Blicke der Jungfrauen. Auch Hedwig träumte gelegentlich davon, wie es wohl sein würde, in seinen Armen zu liegen.
Zum Glück war nie etwas zwischen ihnen geschehen, das über das Verhältnis einer Lehnsherrin zu ihrem treu ergebenen Ritter hinausging. Sie hatte immer gewusst, dass sie Ottos Gunst und Schutz bei Strafe des Untergangs nicht verlieren durfte. Von ihren heimlichen Träumen konnte er nichts wissen. Also musste sie sein schlechtes Gewissen ausnutzen, um unbeschadet und vielleicht sogar gestärkt aus dem Streit hervorzugehen.
»Du solltest damit beginnen, das Unrecht wieder gutzumachen, das du begangen hast«, sagte sie scharf. »Vergiss nicht, dass auf deinen Befehl noch ein Unschuldiger im Verlies sitzt.«
Otto atmete innerlich auf. »Das werde ich sofort bereinigen und ihn großzügig entschädigen.«
Irgendetwas hielt Otto ab, den Namen Christians auszusprechen. Stattdessen sagte er im Gehen: »Was meinst du? Wir sollten ein Fest geben, damit jedermann sieht, dass du die Dame meines Herzens bist, und damit das Gerede ein Ende findet.«
Hedwig unterdrückte einen Seufzer. Auf nichts hatte sie weniger Lust. Aber es war der beste Weg, alle Lästermäulerzum Schweigen zu bringen und vor allem jene in die Schranken zu weisen, die gehofft hatten, sie würde in Ungnade fallen.
Als sie zustimmte, jubelte Otto stumm. Wenn er ihr für das Fest ein neues Kleid und Schmuck schenkte, konnte sie das nicht ablehnen. Vielleicht würden seine Geschenke die Versöhnung doch beschleunigen.
Schnelle Entscheidungen
Zu aller Erstaunen ließ Otto Christian nicht einfach zu sich bringen, sondern stieg selbst zu ihm hinunter ins Verlies. Er wies die Wache an, Christian die Ketten abzunehmen, eine Fackel in die Halterung zu stecken und dann nach draußen zu verschwinden. Für dieses Gespräch konnte er keine Zeugen gebrauchen.
Aufmerksam musterte er Christian, der überrascht vor seinem Lehnsherrn niedergekniet war, als er erkannte, wer da vor ihm stand, und in das Licht blinzelte.
Christian hatte die ganze Nacht über gegrübelt, welcher Intrige er seine Verhaftung verdankte, wie es Marthe und Hedwig ergangen war und ob er je das Tageslicht wiedersehen würde. Was konnte es bedeuten, dass nun der Markgraf persönlich zu ihm kam?
Otto räusperte sich und erlaubte ihm mit einer Handbewegung, aufzustehen. In aufrechter Haltung strich sich Christian die Haare aus der Stirn und das Stroh von den Kleidern.
»Es gab schwer wiegende Anschuldigungen gegen Euch, dochdie scheinen nun widerlegt. Ihr seid ein freier Mann. Als Entschädigung für die Unbill gebe ich Euch die Tochter des Haushofmeisters zur Frau.«
Christian war ebenso verblüfft wie angewidert. Edelgard war eine der schönsten jungen Frauen auf dem Burgberg, aber ihr Geplapper war ihm unerträglich. Inzwischen hatte er auch munkeln hören, dass ihr Ruf nicht mehr makellos war.
»Ich danke Euch für dieses ehrenvolle Angebot, Herr«, sagte er mit einem Gesichtsausdruck, als hätte er Essig statt Wein getrunken. Dann rutschte ihm eine Bemerkung heraus, für die er sich im nächsten Moment am liebsten auf die Zunge gebissen hätte.
»Habe ich die Wahl zwischen dem hier« – er wies auf Stroh und Ketten – »und ihr?«
Otto sah für einen Moment aus, als stünde sein nächster Wutausbruch unmittelbar bevor. Dann jedoch begann er schallend zu lachen.
»Ich habe noch nicht erlebt, dass jemand in einer solchen Lage anfängt, mit mir zu feilschen«, rief er, nachdem er sich beruhigt hatte.
Dann trat er näher, legte Christian die Hand auf die Schulter und blickte ihm ernst in die Augen.
»Was habt Ihr gegen Edelgard? Sie ist schön, aus gutem Hause und bekommt von mir eine stattliche Draufgabe zur Mitgift. Mehr kann ein Mann sich nicht wünschen von einer Frau.«
O doch, dachte Christian grimmig, und das weißt du genau. Wer kluge Frauen wie Hedwig oder Marthe schätzen gelernt hatte, der mochte sich nicht mehr mit Mädchen abfinden, die nur über Männer, Schwangerschaften
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