Das Geheimnis der Hebamme
haben ihn sich ganz schön vorgenommen. Aber Vater Bartholomäus gewährt ihm vier zig Tage Kirchenasyl und hat ihn auf die Bibel schwören lassen, dass er öffentlich zugibt, in Hartwigs Auftrag das Silber versteckt zu haben.«
»Hat der Pater bewirken können, dass Randolf exkommuniziert wird?«
»Nein«, meinte Lukas bekümmert. »Von Bischof Gerung haben wir keine Hilfe zu erwarten. Er hatte schon aus Randolfs Mund von den Geschehnissen gehört. So erklärte er nur, er sei nicht bereit, zugunsten eines Diebes und einer Hexe einzugreifen. Er hat Bartholomäus sogar mit dem Entzug der Pfarre gedroht. Aber der Pater hat trotzdem angewiesen, auf dem Friedhof und nicht außerhalb der Mauern Gräber für Guntram und Grete zu schaufeln, damit sie auf geweihtem Boden begraben werden können.«
Lukas stockte, weil er nicht wusste, wie er ihr die nächste Nachricht beibringen sollte. Doch er konnte es nicht ewig vor sich herschieben. »Auch dein Mann ist tot. Hartwigs Leute haben ihn erschlagen.«
»Ich weiß«, sagte Marthe leise und senkte den Kopf. »Er hat sich ihnen in den Weg gestellt, damit ich fliehen konnte.«
Lukas betrachtete sie aufmerksam. Konnte es wirklich sein, dass sie um den Alten trauerte? Nie und nimmer war er ihr ein guter Mann gewesen. Nur zu genau erinnerte er sich an die Blutergüsse und ihr geschwollenes Auge gleich nach der Hochzeit, an die Traurigkeit, die sie seit der Heirat niederdrückte.
Ohne sie aus den Augen zu lassen, sagte er vorsichtig: »Er hat dich nicht besonders gut behandelt.«
»Das hat er nicht. Aber er hat sich geopfert, um mich zu retten … Wie vorher schon Grete und dann auch Ritter Christian … Ich bringe den Menschen um mich herum nur Verderben. Am besten, ich wäre tot.«
»Nein!« Lukas griff nach ihrem Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. »Das darfst du nicht glauben. Wiprecht wollte etwas wieder gutmachen. Grete hat ihr Leben gegeben, weil sie nicht wollte, dass all die Untaten unwidersprochen bleiben. Und Christian hat bei seiner Schwertleite geschworen, die Wehrlosen zu schützen, selbst wenn es ihn das Leben kostet. Er würde es jederzeit wieder tun. Du selbst hast mehr als einmal dein Leben für andere riskiert. Also Schluss mit den Tränen.«
Sanft strich er ihr über die Wangen. Am liebsten hätte er sie an sich gezogen, die Tränen in ihrem Gesicht und die Regenspuren auf ihrem Körper weggeküsst. Er begehrte sie so sehr! Aber jetzt war nicht die Zeit für zärtliche Stunden.
»Komm!« Wieder verschränkte er die Hände, um ihr aufs Pferd zu helfen. »Wir müssen weiter.«
»Was habt Ihr vor?«
»Das besprechen wir unterwegs.«
Auf der Suche
Als Lukas und Marthe Meißen in der Hitze des Nachmittags erreichten, lenkte der junge Reiter seinen Braunen nicht zum Burgberg, sondern durch das Gewirr sich windender Gassen nahe des Elbufers zu einer Gastwirtschaft. Marthe erinnerte sich: Hier hatte er schon bei ihrer erster Reise nach Meißen und ihrer überstürzten Flucht vom Burgberg die Pferde eingestellt, bevor er sie zurück nach Christiansdorf brachte.
»So können wir uns erst einmal umhören, ehe wir uns auf der Burg blicken lassen«, erklärte er Marthe. »Wir müssen herausfinden, ob Randolf dem Markgrafen schon von dem angeblichen Silberdiebstahl und dem Fluchtversuch erzählt hat. Dann wäre mein Herr noch als Toter geächtet und wir sollten vorerst lieber im Verborgenen bleiben.«
Lukas vermutete allerdings, dass Randolf erst vor Otto Anklage gegen Christian erheben würde, wenn der tatsächlich tot war. Doch das sagte er lieber nicht. Wahrscheinlich war das Marthe ohnehin klar. »Außerdem kann ich mich als Knappe auf dem Burgberg nicht mit dem Schwert meines Herrn zeigen.«
»Könnte Euch jemand anklagen, das Pferd gestohlen zu haben?«, fragte Marthe besorgt.
»Das dürfte schwer fallen«, erwiderte Lukas. »Jeder Stallknecht auf dem Burgberg würde es als meines erkennen.«
Sein Plan war schlicht, wenn auch schwierig auszuführen: Sie mussten Raimund, Richard und Gero finden und Christian so schnell wie möglich aus dem Kerker befreien.
Er war sicher, dass Randolf ein langes Martyrium für seinen Rivalen wollte. Doch angesichts der Grausamkeit, für die der mächtige Ritter bekannt war, wusste niemand, wie lange Christian den Kerker überlebte. Falls er überhaupt noch lebte.
Sich an Otto zu wenden schien zwecklos. Nicht nur, weil kein Knappe mit Aussicht auf Erfolg Klage gegen einen Ritter erheben konnte, der der
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