Das Geheimnis der Hebamme
engste Vertraute des Markgrafen war. Randolf würde Christian sofort töten lassen, wenn die ganze Sache ruchbar wurde. Nie und nimmer würde er seinen Todfeind lebend aus dem Kerker entlassen – nicht einmal auf einen Befehl Ottos hin. Offiziell war Christian ja bereits tot.
Nachdem Lukas einen Knecht angewiesen hatte, das Pferd zu versorgen, betrat er mit Marthe die Gaststube. Christians Schwert behielt er umgeschnallt.
Der Wirt, der einen gewaltigen Bauch hatte, begrüßte die beiden Neuankömmlinge wortreich und mit abschätzendem Blick. Unaufgefordert brachte er Bier und eine Schüssel dampfender Suppe mit einem Kanten Brot.
»Was gibt es Neues in Meißen?«, erkundigte sich Lukas im Tonfall eines Reisenden, der nur an Unterhaltung interessiert war.
Wie er Marthe erzählt hatte, war dieser Mann der geschwätzigste und in der Regel auch der am besten informierte Wirt in der ganzen Stadt. Er schenkte nur Bier und seine bekanntermaßen gute Suppe aus, alles zu billigen Preisen, was ihm viel Zulauf einbrachte. Doch diesmal war die verqualmte Gaststubefast leer – sehr zum Bedauern des redseligen Wirtes und zur Erleichterung von Lukas, denn von den wenigen Gästen schien ihn niemand zu kennen.
»Die Stadt ist wie ausgestorben, seit der Markgraf mit seinem gesamten Gefolge unterwegs ist«, erzählte der Wirt, während er Lukas den nächsten Krug Bier so schwungvoll auf den Tisch stellte, dass er überschwappte. »Jetzt hält nur noch der Burggraf mit seinen Leuten die Stellung.«
Marthe lief ein Schauer über den Rücken, als sie sich an die Begegnung mit dem Burggrafen erinnerte, der sie gleich an ihrem ersten Tag in Meißen in sein Bett zwingen wollte, wäre nicht Christian dazwischengegangen.
»Beim Burggrafen lassen wir uns lieber nicht blicken«, flüsterte sie Lukas zu.
Er sah sie erstaunt an. »Wie kommst du darauf?«
Zögernd berichtete sie von dem Zwischenfall. »Und er hat Christian gedroht, dass er ihm das heimzahlen würde.«
»Der alte Bock!«, schnaubte Lukas wütend. »Aber wer ihn sich einmal zum Feind gemacht hat, muss bis ans Lebensende auf seinen Rücken achten.«
Der Wirt hatte sich inzwischen am Feuer zu schaffen gemacht und kam nun schwitzend und mit hochrotem Gesicht wieder zu ihrem Tisch, um sich auf die Bank sinken zu lassen. Er war unverkennbar zum Schwatzen aufgelegt, was Lukas sehr gelegen kam.
»Wisst Ihr, wohin der Markgraf und die Dame Hedwig gereist sind?«, erkundigte er sich.
»Oh, sie sind nicht zusammen unterwegs«, meinte der Wirt und wischte mit seiner schweren Hand ein paar Brotkrümel vom Tisch. »Markgraf Otto ist vor einer Woche mit seinen Rittern abgereist, um in seinen Ländereien nach dem Rechten zu sehen. Aber seine Dame, so heißt es, hat er weit weggeschickt.«
Der Dicke beugte sich vor und senkte die Stimme. »Es wird gemunkelt, sie hatten gewaltigen Streit. Wegen Ottos schöner Gespielin und wegen dieses Dorfes, in dem das Silber entdeckt wurde. Dort soll jemand den Markgrafen bestohlen haben.«
Lukas und Marthe warfen sich einen sorgenvollen Blick zu, während der Wirt weitersprach. »Er hat sie mit ihrer kleinen Tochter zu einem seiner Brüder eskortieren und unter strenge Aufsicht stellen lassen.«
Der Dicke bekreuzigte sich. »Es führt zu nichts Gutem, wenn sich das Weibervolk ins Regieren einmischt.«
»Und bei welchem von Ottos Brüdern ist die Markgräfin?«, erkundigte sich Lukas beiläufig.
»Keine Ahnung. Warum wollt Ihr das wissen?«, fragte der Wirt misstrauisch.
»Um das Ende deiner Geschichte zu hören. Es ist doch weithin bekannt, dass keiner so gut erzählen kann wie du«, schmeichelte ihm der Knappe, und schon schwatzte der Wirt bereitwillig weiter.
»Neulich hatten wir hier zwei sehr schöne Hinrichtungen. Sie haben einen Dieb gehängt, der hat endlos am Galgen gezappelt, bis ihm endlich die Luft ausging. Ihr könnt ihn noch baumeln sehen. Dann haben sie einen Sodomiten bestraft – an den Füßen aufgehängt und der Länge nach auseinander gesägt. War ein Riesenauflauf, kann ich Euch sagen, die Leute reden immer noch davon. Und wenn Ihr heute etwas erleben wollt: Ein Spielmann ist in der Stadt; einer mit einem merkwürdigen Namen, aber er soll richtig gut sein, sagen die Leute.«
Er hob bedauernd die fleischigen Hände. »Ich komme ja kaum mal weg hier.«
»Ludmillus?«, fragte Marthe angespannt.
»Kann sein. Ja, ich glaube, so haben es die Gäste erzählt. Wennihr Glück habt, erwischt ihr ihn noch. Seit Otto nicht mehr
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