Das Geheimnis der Hebamme
die anderen sind mit Otto unterwegs, ihrer Spur ist leicht zu folgen«, sagte sie schließlich zu Lukas. »Aber ihr werdet schnell sein müssen.«
»Weißt du, wo Hedwig ist?«, fragte Marthe.
»Ja. Otto hat sie zu seinem Bruder Dietrich bringen lassen, dem Markgrafen der Ostmark. Es heißt, sie darf dort weder Besucher noch Briefe empfangen, geschweige denn die Burg verlassen.«
»Wo hält er sie fest?«
»Auf Dietrichs Burg Landsberg. Das ist zwei Tagesritte nordwestlich von hier.«
Mit mehr Schwung, als einer so alten und gebrechlich wirkenden Frau zuzutrauen war, erhob sich Josefa und packte rasch ein Dutzend Tiegel und Säckchen in einen Korb. »Ihr dürft euch nicht auf der Burg blicken lassen. Ich gehe hin und versuche, noch etwas mehr herauszubekommen. Wartet hier. Ich bin bald zurück.«
Schon war sie zur Tür hinaus.
»Sie ist eine weise Frau, nicht wahr?«, meinte Lukas. »Hier also hat dich damals Christian nach dem Giftanschlag auf Hedwig versteckt.«
Marthe nickte. Eine Weile saßen sie sich stumm gegenüber, jeder in seine eigenen düsteren Gedanken verstrickt.
Schließlich blickte ihm Marthe direkt ins Gesicht. »Wir müssen uns trennen. Während Ihr nach Ritter Raimund und seinen Freunden sucht, werde ich versuchen, zu Hedwig zu gelangen«, sagte sie entschlossen.
Lukas sprang auf und packte sie quer über den Tisch bei den Armen. »Das kommt überhaupt nicht infrage. Du bleibst hier! Es war Christians letzter Befehl, dich in Sicherheit zu bringen. Zu Hedwig reite ich mit Raimund, nachdem wir Christian befreit haben.«
Zum ersten Mal sah Marthe Lukas mit aller Kraft in die Augen.
Er starrte zurück und ließ dann langsam ihre Arme los. Ob es die Intensität ihres Blickes oder die merkwürdige, von der Persönlichkeit der Alten geprägte Umgebung war – ihm lief ein Schauer über den Rücken. Wortlos ließ er sich wieder auf die Bank fallen, während Marthe aufstand, zur Feuerstelle ging und sich dann erst wieder zu ihm umdrehte.
»Wir haben die Wahl«, sagte sie ruhig. »Wir können Christians Befehle befolgen, dann bleibt uns am Ende nichts weiter, als seinen Tod zu betrauern, selbst wenn wir irgendwann seine Ehre wiederherstellen können. Oder aber wir wagen alles, so wie er immer wieder für uns sein Leben gewagt hat.«
Sie schlang sich die Arme um den Körper. »Ihr könnt nicht mit drei Rittern Randolfs Burg berennen. Und wenn Ihr sie mit größeren Truppen angreift, wird Christian tot sein, bevor der Erste von Euch das Burgtor erreicht hat. Wir brauchen eine List. Und wir brauchen Hedwig. Sie muss erfahren, was Randolf getan hat und noch tun will. Vielleicht hilft ihr das endlich, seinen und Odas Einfluss zurückzudrängen.«
»Keine Frau kann allein reisen. Auch wenn der Kaiser das gern glauben möchte – so sicher sind die Straßen nicht!« Allmählichfand Lukas seine Fassung wieder, doch nur bis zu Marthes nächsten Worten.
»Dann verkleide ich mich als Mann.«
Er starrte sie entsetzt an. »Wenn dich jemand erkennt, wirst du mit dem Tod bestraft.«
»Das ist mir gleich.« Nun konnte Marthe nicht mehr an sich halten. »Mir droht doch sowieso der Tod, wohin ich auch gehe. Aus meinem Heimatdorf musste ich fliehen, weil der Burgherr mir Hände und Füße abschlagen lassen wollte. Und jetzt fliehe ich schon wieder, weil Hartwig mich zur Hexe erklärt hat und töten will. Wohin soll ich denn noch?«
Bevor Lukas etwas entgegnen konnte, fuhr sie leise fort: »Und was wird aus den Menschen in unserem Dorf? Sollen wir uns immer wieder vertreiben lassen, weil es keinen Ort auf Erden gibt, an dem wir in Frieden leben können? Sollen Randolf und Hartwig weiter so wüten können, ohne dass jemand sie aufhält?«
»Die Menschen im Dorf wollten dich erschlagen«, schnaubte Lukas.
»Hartwigs Leute. Die anderen haben mir geholfen zu fliehen.«
Mitten in den Streit platzte Josefa herein, die einen Beutel auf den Tisch warf, in dem Münzen klirrten.
»Das schickt euch Elisabeth.«
»Sie ist noch auf der Burg?«, rief Marthe überrascht.
»Ja. Sie bricht morgen auf, weil ihre Niederkunft bevorsteht und sie ihr Kind auf Raimunds Anwesen zur Welt bringen will. Damit ihr Geld für die Reise habt, hat sie einen ihrer Ringe eingetauscht. Ihr braucht vielleicht da und dort Bestechungsgelder für die Wachen und ein Reittier für Marthe.«
»Wir brauchen kein Reittier. Ich habe mein Pferd und Marthe bleibt hier, bis die Gefahr vorbei ist«, knurrte Lukas.
»Nein. Ich werde versuchen, zu
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