Das Geheimnis der Hebamme
es war mehr. Gerade hatte er seine Rückkehr ins Leben gefeiert nach einem Kampf auf Leben und Tod und nach Jahren, die nur von Pflichterfüllung und Verzicht bestimmt waren.
Sie verband seine Wunde. Dann gingen sie zur Festgesellschaft zurück, die sie schon mit anzüglichen Scherzen erwartete.
Die Hochzeitsfeier war nicht prunkvoll, das Mahl nicht üppig. Doch dafür ging es überaus fröhlich zu.
Karl und Lukas fehlten. Sie hatten sich bereitwillig als Wachen für die Gefangenen gemeldet, um die Feier versäumen zu können, und leckten nun gemeinsam ihre Wunden.
Marthe bestand darauf, ihnen wenigstens ein paar Bissen von der Tafel und etwas zu trinken zu bringen.
»Ich gratuliere euch«, brachte Lukas so freundlich wie möglich hervor. Eine vor Glück strahlende Marthe dankte ihm.
»Du hast sie doch auch von Anfang an geliebt, stimmt’s?«, meinte er zu Karl, nachdem die Brautleute gegangen waren.
Der sah ihn todunglücklich an und nickte. »Und jetzt heiratet sie zum zweiten Mal einen anderen.«
»Wenigstens ist es diesmal ein guter Mann …« Lukas stockte, weil das Eingeständnis an seiner Seele fraß. »Der Beste.«
Marthe und Christian blieben nur so lange auf der Feier, wie es nötig war, ohne gegen die guten Sitten zu verstoßen. Dann baten sie Pater Bartholomäus, das Brautlager zu segnen.
Endlich verriegelte Christian die Hochzeitskammer und entzündete ein Binsenlicht.
Marthe trat von hinten an ihn heran und legte ihre Arme um ihn. Er drehte sich um und küsste sie. Lange, sehr lange.
Dann zogen sie sich gegenseitig aus, und diesmal ließen sie sich Zeit, um den anderen in Ruhe betrachten zu können. Christian schwelgte in den schönen Linien ihres schlanken Körpers, und sie ließ ihre Finger über die harten Muskelstränge seiner Arme und Schultern gleiten und strich sanft über die Narben, die Randolfs Misshandlungen hinterlassen hatten, als könnte sie sie auslöschen. Nach und nach erkundeten sie ihre Körper.
Er fand heraus, welche seiner Zärtlichkeiten sie am meisten genoss, dann führte er ihre Hand sanft an die Stellen, an denen ihn ihre Berührung besonders erregte.
Schließlich war beider Verlangen zu groß, um noch länger zu warten.
»Meine Liebe!«, sagte Christian, als er in sie glitt.
»Mein Leben!« Und dann im Rhythmus seiner Bewegungen:
»Meine Geliebte, meine Frau, meine Gefährtin!«
Mit geschlossenen Augen ließ sich Marthe erneut in Ekstase versetzen.
Am nächsten Tag hielt Christian unter der Dorflinde Gericht. Niemand hatte vergessen, dass ausgerechnet hier das schlimmste Willkürurteil Randolfs vollstreckt worden war – die Hinrichtung Guntrams. Nur wenige Schritte weiter glaubte Marthe immer noch Gretes Blut im Boden erkennen zu können.
Ich vermisse sie, dachte sie wehmütig.
Die Liste der Missetaten, die Hartwig und seine Leute seitdem begangen hatten, war endlos. Fast jeder Dorfbewohner war Opfer ihrer Willkür geworden.
Christian ließ Bartholomäus sorgfältig auflisten, was er Randolf und Hartwig beim Landding vorwerfen konnte. EinzelneÜbertretungen gegenüber Bauern oder Bergleuten würden den Markgrafen nicht interessieren. Aber dass Hartwig sich fälschlich auf höchste Order berufen hatte, um den Dorfbewohnern ein Drittel ihrer Erträge abzunehmen, und dass er das Geld in die eigene Tasche gesteckt hatte, darüber würde Otto nicht hinweggehen. Schließlich hatte er den Siedlern zehn Jahre Abgabenfreiheit zugesichert.
Anhand der Listen konnten Bergmeister Hermann und der Pater nachweisen, dass er auch bei den Abgaben der Bergleute willkürlich Silbermengen festgelegt und einen Teil davon selbst behalten hatte.
Ob Otto allerdings auch gegen Randolf vorgehen würde, war ungewiss. Christian gab sich keiner Täuschung hin. Es blieb eine riskante Sache mit ungewissem Ausgang, wenn er beim Landding Klage erhob.
Deshalb machte er auch den Dorfbewohnern eindringlich klar, dass sie ihren berechtigten Zorn nicht an den Reisigen auslassen durften. Über das Schicksal von Randolfs gefangenen Leuten musste Otto entscheiden. Vor allem durfte keiner entkommen, sollte nicht sein ganzer Plan vereitelt werden, schärfte er ihnen ein.
Hartwig würde er in Fesseln mit zum Landding nehmen.
Vor der Abreise unternahmen Christian und Marthe einen Ausritt mit Drago. Zum Landding würde Christian auf einem von Raimunds Pferden reiten, um nicht an seinem Hengst erkannt zu werden.
Der Grauschimmel hatte seinen Herrn lange vermisst und sprühte vor
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