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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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wohltönende Stimme verliehen ihm etwas Anziehendes.
    Die Kinder waren am meisten von seiner Kleidung fasziniert. Mit offenen Mündern bestaunten sie die Beinlinge in Mi-parti: eines rot, eines grün. Bei den Ärmeln seines Kittels waren die Farben vertauscht.
    »Zum Dank geben wir euch auf der nächsten Rast eine Vorstellung«, versprach Ludmillus, nachdem sie gemeinsam den Wagen wieder auf den Weg bugsiert hatten. »Allerdings wäre uns daran gelegen, diesen ungastlichen Ort hier so schnell wie möglich zu verlassen …«
    »Der Burgherr fand offenbar deine Kunst nicht so überragend«, spottete Grete gut gelaunt.
    Ludmillus lachte. »Nein, fand er nicht. Deshalb auch unser schneller Rückzug.«
    Der Spielmann schnitt eine Grimasse. »Ich habe wirklich mein Bestes getan, der hässlichen Frau des Burgherrn zu huldigen. Und der Lohn der guten Tat? Ihr Dummkopf von einem Mann wirft uns in einem Anfall von Eifersucht raus«, erzählte er mit geheuchelter Entrüstung.
    Die Zuhörer lachten.
    »Er ist es nicht gewohnt, dass jemand seinem Drachen minnt«, rief vom Gauklerwagen sein Gefährte, ein braun gelockter Bursche mit einer Kappe aus vielen bunten Streifen, den der Sänger als Hilarius vorgestellt hatte.
    »Ja, ein Tölpel, der anscheinend nicht von den neuen Sitten gehört hat, die unser Kaiser nach dem Vorbild der Aquitanier und Burgunder eingeführt hat – dass man die Frauen nicht mehr einfach in die Kemenate sperrt, sondern ihnen Ehren erweist und Lieder widmet«, gab Ludmillus zurück. »Jetzt muss er selber sehen, wie er das Feuer löscht, das ich bei seiner Dame entfacht habe. Das ist nur gerecht als Strafe.«
    Nun lachten Siedler und Spielleute gemeinsam.
    »Ihr wisst wenigstens einen Spaß zu schätzen. Aber ihr hättet den Kaplan hören sollen: Fröhliches Fleisch verführt zu Sünde … Wer im Diesseits lacht, wird im Jenseits weinen …«, ahmte Ludmillus mit verdrehten Augen und verstellter hoher Stimme nach. »Die Kirchenherren mögen es nicht, wenn die Menschen lachen. Aber der Burgherr wird bald zu bereuen haben, dass er Spielleute unbelohnt weggeschickt hat.«
    »Warum sollte er das?«, platzte Marthe heraus, die kein Auge von dem Sänger gelassen hatte und staunend dessen Reden verfolgte.
    Ludmillus verneigte sich vor ihr. »Meine Sonne, es ist bekanntermaßen äußerst unklug, sich mit einem Spielmann anzulegen. Denn nun werden wir ein Spottlied auf den Geizhals und sein hässliches Weib dichten.«
    »Kann er euch dafür nicht bestrafen?«, wollte Marthe wissen. Ludmillus lachte. »Gelegentlich müssen wir ziemlich schnell sein. Aber würdest du an seiner Stelle zugeben, dass du mit dem Lied gemeint bist? Unter allen Spielleuten wird es die Runde machen und an vielen Orten gesungen werden. Deshalb hütet sich der kluge Gastgeber davor, es sich mit uns zu verderben.«
    Es wurde nicht nur für Marthe die kurzweiligste Wegstrecke bisher. Die Kinder rannten neben dem Gauklerkarren her, sogar Kuno mit seiner störrischen Ziege, und verfolgten gespannt, wie Ludmillus und Hilarius gemeinsam das neue Spottlied reimten. Sogar Johanna und Marie vergaßen für eine Zeit ihren Kummer.
    Sie waren wohl sieben oder acht Meilen von der Burg entfernt, als Christian das Zeichen zur Rast gab. Das kam an diesem Tag früher als erwartet, aber der Platz war gut geeignet, um ein Lager aufzuschlagen.
    Christian hätte es kaum zugegeben, doch auch er wartete schon gespannt auf die Vorstellung der Spielleute. Der Name Ludmillus war ihm nämlich nicht unbekannt.
    Viele Fahrensleute zogen von Dorf zu Dorf und von Burg zu Burg: Musikanten, Seiltänzer und Feuerfresser. Sie unterhielten die Menschen und überbrachten zugleich Berichte von dem, was sich in anderen Gegenden zugetragen hatte. Doch nur wenige waren darunter, die wirklich gut musizieren konnten und die großen Heldenlieder vorzutragen wussten. Gaukler mit rohen Scherzen, Barden mit krächzenden Stimmen, schlecht gereimten Versen und einer Vorliebe für Würfelspielund Tändeleien zogen den Ruf der Spielleute zur Landplage herab. Von einem jedoch erzählten die Leute auch auf dem Meißner Burgberg wahre Wunder, obwohl er noch nie dorthin gekommen war: von Ludmillus. Es hieß, dass er mit seinen Liedern die Weinenden zum Lachen und die Lachenden zum Weinen bringen konnte.
    Christian war gespannt, ob er hier wirklich den echten Ludmillus vor sich hatte oder nur jemanden, der sich den angesehenen Namen borgte.
    Die Frauen setzten Hafergrütze an, die Spielleute

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