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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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und stärker, als sie wirkte. Und sie hatte zweifellos etwas Faszinierendes an sich, ohne sich dessen bewusst zu sein.
    Sein Herz fing schneller an zu schlagen, als er sah, dass Lukas an Marthes Seite trat und unbefangen mit ihr plauderte, während er mit ihr zu Drago ging. Bei Gott, sollte er wirklich eifersüchtig auf seinen Knappen sein?

Die Würze des Lebens
     
    Der Siedlerzug kämpfte sich weiter Richtung Osten.
    Mit unerbittlicher Eile und traumwandlerischer Sicherheit für den richtigen Weg trieb Christian die Wagenkolonne voran. Niemand stellte das Tempo oder den frühen Aufbruch infrage. Jeder wusste, wenn sie den Winter überstehen wollten, mussten sie noch rechtzeitig für Aussaat und Ernte in ihrer neuen Heimat ankommen.
    Marthe spürte, dass die durchlittene Gefahr und der Sieg über die Gesetzlosen ihre Mitreisenden verändert hatten. Sie waren zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen. Selbst Griseldiswechselte nun freundliche Worte mit ihr – dankbar, dass das Mädchen den Arm und damit die Arbeitskraft ihres Mannes erhalten hatte.
    Kaspar schien nach dem Tod seines Sohnes eine Schuld abtragen zu wollen. Unbeholfen tröstete er seine schmächtige Frau, die mit rot geweinten Augen neben ihm ging.
    Karl musste wegen des geschienten Beines die Wegstrecke auf einem der Ochsenkarren zubringen. Auch wenn er nicht klagte, war ihm anzusehen, dass ihm das Geholper Schmerzen bereitete. In den Rastpausen schnitzte er für seine Schwestern kleine Tiere und rief bei Johanna und Marie mit jedem Stück neue Begeisterung hervor.
    Eines Abends – er hatte sich vergewissert, dass niemand sie beobachtete – schenkte er mit verlegener Miene der überraschten Marthe einen Kamm, den er geschnitzt, sorgfältig geglättet und mit einem schönen Muster verziert hatte.
    Marie, die heimlich die Szene belauscht hatte, sang: »Ka-arl liebt Marthe, Ka-arl liebt Marthe!«
    Karl, der sonst geduldig mit seinen kleinen Schwestern umging, funkelte sie so böse an, dass sie wegrannte. Aber seine Ohren hatten eine leuchtend rote Farbe angenommen. Marthe suchte schnell einen Vorwand, um die Flucht zu ergreifen. Und Karl wartete schicksalsergeben auf Martins Strafgericht.
     
    Die Sonne besaß nun schon Kraft, aus den Knospen der Bäume trieben zartgrüne Blattspitzen. Sie kamen an Feldern vorbei, auf denen Bauern eggten oder Kinder Krähen von der frischen Saat verscheuchten. Wo sie konnten, nahmen sie die Gastfreundschaft eines Klosters in Anspruch, das sie für eine Nacht aufnehmen musste. Das Ende der Fastenzeit und die feierliche Ostermesse, die sie in einer der Kirchen unterwegserlebten, taten ein Übriges, um trotz der Mühen und Qualen des Weges die Stimmung zu heben.
    Sie folgten nun einer der alten Handelsstraßen nach Böhmen und Polen. Auf der breiten, viel befahrenen Straße kamen sie trotz der mühseligen Steigungen gut voran und fanden oft Gesellschaft: Bauern, die auf einen Markt wollten, Geistliche auf dem Weg in eine entfernte Pfarre oder Hausierer, die von Dorf zu Dorf wanderten und Nadeln, Töpfe, Messer, Gewürze und bunte Bänder feilboten. Einmal trafen sie sogar eine Gruppe Pilger, die zur weiten Reise ans Grab des heiligen Jakob in Compostela aufgebrochen waren.
    Die Siedler kamen nun oft durch Dörfer oder Marktflecken, wo sie ihre Vorräte erneuern konnten, indem sie eintauschten, was ihnen entbehrlich schien.
    In einem Weiler schenkte ihnen eine verhärmte Frau Brot und etwas Honig für die Kinder. »Der Herr wird mir’s lohnen. Vor Jahren sind zwei meiner Söhne in die Ostmark gezogen, um Land urbar zu machen. Wie mag es ihnen wohl ergangen sein?«, fragte sie und wischte sich die Augen.
    Doch nicht überall reagierten die Dorfbewohner freundlich, wenn der Siedlerzug in ihrem Ort nächtigen wollte. Manche der Bauern betrachteten sie misstrauisch, beschimpften sie als Bettler oder Diebesgesindel und weigerten sich, die Fremden in ihrer Scheune übernachten zu lassen.
    »Von eurer Sorte sind schon Hunderte hier durchgezogen in den letzten Jahren. Niemand hat je wieder von ihnen gehört«, meinte eine mürrische Frau, bei der sie ein paar Bohnen eintauschen wollten. »Aber was ihnen auch passiert sein mag – sie sind selbst schuld daran. Was haben sie auch in der Fremde zu suchen.«
    Ein paar Tage später kamen sie in ein Dorf, dessen weise Frau im Winter gestorben war. Marthe bat Christian um die Erlaubnis, einige der Bewohner behandeln zu dürfen.
    »Das könnte Wulfharts Knechte auf deine Spur bringen«,

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