Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
die Toten zu beerdigen. Er ließ sie für Paul ein Grab mit einem kleinen Holzkreuz darauf errichten und versprach, für sein Seelenheil eine Messe lesen zu lassen. Den erschlagenen Bauern betteten sie daneben. Im nächsten Dorf würden sie jemanden bitten, seiner Familie die Nachricht zu überbringen und die Stelle zu beschreiben, an der er begraben lag. Die Leichen der Wegelagerer vergruben sie ein Stück weiter und deckten Steine darüber, damit sie nicht von Tieren wieder ausgegraben werden konnten.
    Danach zogen sie so schnell wie möglich weiter.
    Christian ritt nun sein Packpferd und führte Drago neben sich.
    Karl und Kuno wurden, so gut es ging, auf einen Ochsenkarren gelegt. Kuno war wieder zu sich gekommen und hatte sich wie vorausgesagt gründlich erbrochen. Er war kreidebleichum die Nase, während sein enger Freund Bertram neben dem Wagen ging und in grellen Farben schilderte, was passiert war, nachdem Kuno niedergeschlagen worden war. Beinahe belustigt hörte Marthe, wie bald auch Kuno zu prahlen begann, dass er drauf und dran gewesen war, einen der Angreifer zu erschlagen, wäre nicht jener Knüppel auf seinem Kopf niedergegangen.
    Doch Lukas nahm sich den Jungen gnadenlos vor.
    »Hat dir der Schlag das Hirn zu Brei geschlagen?«, schalt er.
    »Fast hätte dich dein Verhalten das Leben gekostet. Du hast den Befehl meines Herrn nicht befolgt – und das ist dabei herausgekommen.«
    Kuno verstummte und hätte sich wohl am liebsten unsichtbar gemacht.
    »Ein bisschen Übung mit dem Stock macht noch keinen Kämpfer«, fuhr der Knappe mit harter Stimme fort. »Wer ins Gefecht geht, muss gut gerüstet sein und auf Leute mit Erfahrung hören, sonst wird er nicht alt.«
    Kuno wurde immer winziger auf seinem Lager.
    »Verstanden?«
    Der Junge nickte und verzog im gleichen Moment schmerzhaft das Gesicht.
    »Gut. Möge Gott uns vor einer Lage bewahren, in der wir sogar Zehnjährige in den Kampf führen müssen.«
    Dann endlich gestattete sich Lukas ein Lächeln. »Immerhin, Mut gezeigt hast du ja. Aber Mut allein reicht zumeist nicht aus.«
    Da grinste Kuno verstohlen und schaute schon wieder ein bisschen munterer in die Gegend.
     
    Marthe kümmerte sich bei jeder Rast um die Verwundeten, kontrollierte Verbände, legte Umschläge auf und wusch Bindenaus. Die Wunden heilten gut, auch die Verletzung von Drago. So bat sie Christian um Erlaubnis, die alten Narben des Hengstes behandeln zu dürfen, die von den Schlägen stammten, mit denen die früheren Besitzer dem Tier ihren Willen aufzwingen wollten.
    »Es ist ein Segen, dass wir dieses Mädchen bei uns haben«, sagte Lukas zu Christian und deutete mit einer leichten Kopfbewegung auf Marthe, die gerade nach Hildebrands verletztem Arm sah.
    »Sie hat wirklich heilende Hände. Keine der Wunden ist bisher brandig geworden«, entgegnete der Ritter anerkennend.
    »Sie ist einfach unglaublich.« Lukas seufzte und dachte: Ihre Hände duften immerzu nach Kräutern. Zum hundertsten Mal überlegte er, wie es sich wohl anfühlen mochte, über ihr glänzendes, kastanienbraunes Haar zu streichen.
    Der träumerische Blick, mit dem sein Knappe dem Mädchen nachschaute, ließ Christian stutzig werden. Mit seinen blonden Locken und seiner fröhlichen Art war Lukas der Schwarm vieler Mädchen auf dem Meißner Burgberg. Aber wenn er auf der Burg den Mägden nachjagte, war das eine Sache – und dies hier eine andere.
    »Sie ist eine Schutzbefohlene. Ich werde kein Getändel dulden, das für das Mädchen möglicherweise schwere Folgen hat«, sagte der Ritter streng.
    »Selbstverständlich, kein Getändel«, wiederholte Lukas, ohne dass sich an seinem verzückten Gesichtsausdruck etwas änderte. »Sie ist auch etwas ganz Besonderes.«
    Sollte er sich verliebt haben?, dachte Christian beunruhigt.
    »Du weißt, was dein Vater von dir erwartet.«
    »Ja«, seufzte Lukas. Als erstgeborener Sohn sollte er einmal eine Braut mit stattlicher Mitgift heimführen. Davon hing ab, ob die Familie für seine jüngeren Geschwister die Schwertleite,eine Mitgift für die Heirat oder den Eintritt in ein Kloster bezahlen konnte.
    Als Lukas sich mit Christians Erlaubnis entfernt hatte, hielt der Ritter unbemerkt Ausschau nach Marthe.
    Christian besaß inzwischen eine ziemlich klare Vorstellung, was sie war. Alles passte zusammen. Doch zum ersten Mal betrachtete er Marthe nicht als schutzbedürftiges mageres Mädchen, sondern als junge, heranwachsende Frau. Sie war zart, zu zart für ihr Alter, aber klug

Weitere Kostenlose Bücher