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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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liegend, hatte der Vogelfreie noch das Messer gezogen und dem Tier einen tiefen Schnitt beigebracht.
    »Kannst du etwas für ihn tun?«, fragte Christian. Sein sonst so beherrschtes Gesicht war voller Unruhe.
    Marthe sah aus gebührendem Abstand, dass die Verletzung schon behelfsmäßig behandelt worden war. »Besser hätte ich es auch kaum machen können, Herr«, meinte sie staunend. »Ich werde die Wunde nur noch mit einem Sud säubern, damit sie sich nicht entzündet.«
     
    Sie lief los, um zu holen, was sie dafür brauchte.
    Als sie wiederkam, sprach Christian immer noch mit beruhigenden Worten auf das Tier ein.
    »Gib mir deine Hand«, sagte er, nahm die Rechte des Mädchens und hielt sie dem Hengst unter die Nüstern. Dann legte er sie dem Pferd an den Hals, während er seine darüber hielt und Marthe dem Tier vorstellte, als wäre es ein Mensch.
    Marthe wäre bei seiner Berührung am liebsten zusammengezuckt und hätte ihre Hand weggezogen, aber das würde den Hengst verschrecken. Ein Schauer fuhr ihr über den Rücken. Sie betrachtete die Hand des Ritters, die gerade noch mit einem wuchtigen Schwerthieb ihr Leben gerettet hatte und nun ruhig auf ihrer lag. Eine sauber verheilte Narbe zog sich quer über seinen Handrücken. Sie starrte darauf, um dem Drang zu widerstehen, aufzublicken in Christians Gesicht. Das durfte nicht sein. Er war ihr Herr.
    »Drago hasst und fürchtet die meisten Menschen für das, was sie ihm angetan haben«, erklärte der Ritter und wies mit dem Kinn auf die Spuren schwerer Peitschenhiebe, mit denen die Flanke seines Hengstes gezeichnet war. »Aber ich denke, jetzt wird er sich mit dir vertragen.« Er nahm seine Hand von Marthes und trat einen halben Schritt zurück.
    Marthe schickte in Gedanken einen freundlichen Gruß an den Grauschimmel und legte vorsichtig einen Umschlag auf die Wunde. Drago stand ganz still.
    Lukas hielt erstaunt den Atem an, aber Christian wirkte wenig überrascht.
    »Ich danke dir«, sagte der Ritter freundlich, als Marthe fertig war. »Geh nun etwas essen und ruhe dich aus.«
     
    Als zwei der Männer den Baum beiseite räumten, der ihnen den Weg versperrt hatte, zeigte sich, dass er wirklich frisch gefällt worden war, um den Wagenzug zum Halten zu zwingen. Wahrscheinlich hatten die Gesetzlosen sie schon eine ganze Wegstrecke beobachtet.
    Gleich hinter der Biegung fanden sie den nackten Leichnam des Bauern, der sie am Morgen ein Stück des Weges begleitet hatte. Ein fröhlicher Mann voller Pläne darüber, was er mit dem Erlös anfangen wollte, wenn er seine Lämmer auf dem Markt verkaufte.
    Lukas und Jonas hatten ihm angeboten, bis dorthin mit ihnen zu ziehen, denn allein zu reisen war gefährlich, und dieser Wald stand in keinem guten Ruf. Aber er hatte abgelehnt. Er wollte schnell zu seiner Familie zurück.
    Jetzt lag er in seinem Blut auf dem Waldboden. Die Wegelagerer hatten ihm nicht einmal seine Kleider gelassen.
    So viel Tod, so viel Blut, dachte Marthe fröstelnd. Ob es der Todesschmerz des jungen Bauern war, der sie auf unerklärliche Weise erreicht und vor dem Überfall gewarnt hatte?
    Die Verluste der Siedler an Hab und Gut waren gering.
    Die Gesetzlosen hatten es vor allem auf die Vorräte abgesehen. Einer hatte sich einen Hühnerkäfig geholt, ein paar Krüge waren zerbrochen.
    Bei den Familien, die nicht selbst einen Toten oder Verletzten zu beklagen hatten, schlugen Angst und Kampfstimmung bald in ein Hochgefühl um. Sie hatten überlebt, die Angreifer in die Flucht geschlagen und ihre Habe gerettet. Gesetzlose warenvogelfrei. Kein irdischer Richter würde von ihnen Rechenschaft dafür fordern, dass sie getötet hatten.
    Wie unter Zwang betrachtete Marthe noch einmal den Geblendeten, der sie erschlagen hätte, wäre nicht Christian im letzten Augenblick dazwischengegangen. Der Tote war fast noch ein Kind, dürr und ausgemergelt wie die meisten der Wegelagerer.
    Überall hatten viele Dörfler durch Missernten und die Fehden der Ritter, bei denen nicht selten die Felder in Brand gesteckt wurden, ihre Existenz verloren. Wer sich nicht als Tagelöhner verdingen konnte, dem blieb keine andere Wahl, als in die Wälder zu flüchten.
    Was wäre aus mir geworden, wenn ich mich nicht den Siedlern hätte anschließen können?, grübelte Marthe. Oder aus den anderen nach der nächsten schlechten Ernte?
    Doch bei diesem blutigen Aufeinandertreffen war kein Platz für Mitleid gewesen. Es war ein Kampf auf Leben und Tod.
     
    Christian wies die Männer an,

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