Das Geheimnis der Heiligen Stadt
auf.
»Gottverdammt!«
Ãber seinem Kopf war ein Herz an die Wand gespieÃt. Von einer dunklen Blutkruste überzogen, steckte es an einem Krummdolch mit juwelenbesetztem Griff.
Im kalten Morgenlicht sah Geoffrey deutlich, dass der Dolch nicht derselbe war, mit dem man John von Sourdeval gestern im griechischen Viertel ermordet hatte: Die Klinge war schartig und verrostet, und den Griff schmückten grob geschnittene Splitter aus farbigem Glas, keine Juwelen. Aber es war eine ähnliche Waffe, und die Botschaft war klar: Irgendjemand wusste ganz genau, wo Geoffrey in der vergangenen Nacht gewesen war und was man ihm aufgetragen hatte. Es war eine Warnung, sich nicht einzumischen.
Aber sie verriet ihm ebenfalls, dass ein Bewohner der Zitadelle in die Morde verwickelt war. Hier in der Hochburg des Statthalters herrschte eine strenge Wachsamkeit, und niemand wurde ohne Begleitung eingelassen. Und ganz gewiss würde man niemandem gestatten, die Räumlichkeiten der Ritter in den oberen Geschossen aufzusuchen. Gefegt wurde hier selten, und wenn, dann erledigten das die einfachen Soldaten und keine Einheimischen. Die einzigen Leute, die sich Zugang zu seinem Zimmer verschaffen konnten, waren daher Kreuzfahrer.
Aber was bedeutete das Herz? Woher kam es? Geoffrey runzelte die Stirn, während er mit dem Dolch daran herumstocherte und es umdrehte, um herauszufinden, wo es herkam. Der Hund beobachtete ihn aufmerksam und leckte sich die geifernden Lefzen.
»Die Küche«, verkündete Hugo und betrachtete von seinem Platz am Fenster aus sowohl den Hund wie auch das Herz voll Abscheu. »Woher sonst sollte es kommen?«
»Es sieht aus wie ein Schweineherz«, sagte Geoffrey, der immer noch daran herumstocherte. »Schweine sind hier selten. Die Sarazenen und die Juden halten sie für unrein, und wir mussten schmerzhaft feststellen, dass ihr Fleisch in der Hitze der Wüste rasch verdirbt. Es gibt hier nicht eben viele.«
»Nun, frag einfach in der Küche nach, ob kürzlich ein Schwein geschlachtet wurde«, schlug Hugo vor. Das Gespräch langweilte ihn zusehends. »Vermutlich wirst du feststellen, dass irgendwer das vor kurzem getan hat. Dann wurde Blutwurst oder sonst etwas daraus gemacht, und ein paar Teile blieben eben übrig.«
Geoffrey schüttelte den Kopf. »Das ist unwahrscheinlich. Wir sind hier alles andere als üppig mit Speisen versorgt und können uns nicht erlauben, leichtfertig etwas fortzuwerfen. Ich würde vermuten, dass von einem geschlachteten Tier alles verwendet wird, selbst die Knochen, um daraus Suppe zu kochen.«
Hugo erhob sich träge von der Fensterbank. »Dieses ganze Geschwätz über Essen macht mich hungrig. Allmählich dürfte es auch Zeit zum Frühstück sein.«
Geoffrey lieà die scheuÃliche Warnung zurück und folgte Hugo die Wendeltreppe hinab, die zu dem groÃen Saal im zweiten Stock des Davidsturms führte. Der Hund folgte ihm auf dem FuÃe. Im Vorübergehen schlug Hugo kräftig gegen die Tür von Roger von Durham, einem englischen Ritter, der es vorgezogen hatte, in Jerusalem zu bleiben, nachdem seine Waffenbrüder abgezogen waren. Die meisten Ritter, insgesamt etwa dreihundert, waren Lothringer im Dienste Gottfrieds. AuÃerdem gab es eine beträchtliche Anzahl Normannen, die wie Hugo und Roger zum Gefolge von Bohemund zählten oder auch zu Tankred.
Roger trat aus seinem Zimmer und folgte ihnen die Treppen hinab. Er war ein hünenhafter Kerl mit kurz geschnittenen schwarzen Haaren und einer ziegelroten Gesichtsfarbe und auÃerdem der uneheliche Sohn des mächtigen Fürstbischofs von Durham.
Roger war von einfachem Wesen und mit der Unverblümtheit seiner nördlichen Landsleute gesegnet, die er Geoffreys Ansicht nach von seiner Mutter, der Schneiderin des Bischofs, erlernt haben musste. Roger hatte weder für die Politik noch für die Intrigen in Jerusalem etwas übrig, und er war stets der Erste, wenn Freiwillige für Unternehmungen gesucht wurden, bei denen er seine beachtlichen Fertigkeiten im Kampf erproben konnte. Rogers beeindruckende Stärke und Ehrlichkeit, Hugos schwermütiger Zynismus und Geoffreys wacher Verstand verbanden sich zu einer Kraft, mit der man in der Hierarchie der Zitadelle rechnen musste.
Mit plötzlichem Schmerz dachte Geoffrey daran, dass John von Sourdeval häufig der Vierte in diesem Bunde gewesen war und mit seiner
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