Das Geheimnis der Heiligen Stadt
Warner aufdringlich und arrogant und ermunterte seine Ritter zu einer Zügellosigkeit, die Geoffrey zutiefst verachtete.
»Wie viele Sarazenen waren es denn?«, fragte Roger, der wie immer an militärischen Angelegenheiten sehr interessiert war.
»Zehn«, erwiderte Warner. »Jeder von ihnen war mit einem groÃen Krummsäbel bewaffnet und hielt beim Angriff ein goldenes Götzenbild von Mohammed in die Höhe.«
Geoffrey starrte ihn mit unverhohlenem Missfallen an. »Die Sarazenen fertigen keine Abbilder von Mohammed«, merkte er abfällig an. »Sie halten es für Gotteslästerung.«
Warner wandte sich ihm zu, mit einem Abscheu in den Augen, der dem Geoffreys gleichkam. »Ich führe hier keinen theologischen Disput über den mohammedanischen Glauben. Ich beschreibe einen Zwischenfall, bei dem ich um mein Leben kämpfen musste, gegen einen Haufen fanatischer Sarazenen, die entschlossen waren, mich abzuschlachten«, sagte er mit unverkennbarem Hochmut.
»Ein derart entschlossener Krieger würde niemals seine Kampfkraft mindern, indem er irgendein Götzenbild hochhält«, widersprach Geoffrey beharrlich. »Das wäre närrisch. Die ganze Angelegenheit, die Ihr beschreibt, klingt überaus unwahrscheinlich.«
Er fühlte, wie Hugo ihn warnend am Arm berührte, während Roger seinen Dolch aus der Scheide zog und damit beiläufig ein Stück altbackenes Brot von dem Laib auf dem Tisch abschnitt.
»Nennt Ihr mich etwa einen Lügner?«, fragte Warner. Er war bleich vor Zorn. Um sie herum erstarben die Unterhaltungen, und die nahebei sitzenden Ritter verfolgten die Angelegenheit mit Interesse. Gottfrieds Männer bewegten sich auf eine Seite des Tisches, während Bohemunds und Tankreds Männer in Erwartung eines Kampfes zur anderen Seite rückten.
Es wäre nicht das erste Mal â und nicht das letzte â, dass die Ritter konkurrierender Lager gegeneinander kämpften. Gottfried hätte eine derartige unangemessene Schlägerei unter seinen Leuten ganz gewiss verhindert, doch er war gerade in ein Gespräch mit seinem Bruder auf dem Podest vertieft, und der Lärm von den anderen Tischen reichte aus, um jeden aufkommenden Tumult zu übertönen.
»Ich sage nur, dass Eure Beschreibung unglaubwürdig klingt«, sagte Geoffrey. Natürlich wusste er, dass seine Worte leicht zu BlutvergieÃen führen konnten. Doch Warners lachhafte Behauptungen versetzten ihn in Zorn. »Die Sarazenen haben keine Bildnisse von Mohammed, und kein intelligenter Krieger würde freiwillig seinen Arm für eine derart sinnlose Geste nutzen, wenn er ihn zum Kämpfen braucht.«
Warner stand langsam auf, die Lippen vor Wut fest zusammengebissen. Seine Hand fuhr zu dem Dolch, der in einer Scheide an seinem Gürtel hing. Doch bevor er ihn noch ziehen konnte, erschien Edouard de Courrances hinter ihm und hielt ihn mit beiden Händen an den Schultern fest.
»Bleibt sitzen, Herr Warner«, sagte er sanft. »Ich bin mir sicher, Ihr seid mit Eurer Geschichte über den gestrigen Hinterhalt noch nicht zu Ende.«
»Es geht noch weiter?«, fragte Hugo launig. »Und dabei hat uns diese Geschichte doch schon jetzt überaus gut unterhalten!«
Der ironische Tonfall auf dem Wort »Geschichte« lieà Warner beinahe wieder aufspringen, doch Courrances hielt ihn an den Schultern fest, und er gab nach. Courrances beugte sich vor und flüsterte Warner etwas ins Ohr. Mit einem boshaften Funkeln in den Augen hörte der Ritter zu. Dann setzte sich Courrances neben ihn auf die Bank. Geoffrey musterte den Ordenskrieger kühl.
»Welchem Umstand verdanken wir die Ehre Eurer Gesellschaft?«, fragte Hugo unbekümmert. Damit sprach er aus, was jedem durch den Kopf ging: weshalb Courrances wohl auf seinen üblichen Platz auf dem Podest neben Gottfried verzichtet hatte, um bei den einfachen Rittern zu sitzen.
»Ich bin ein Mönch«, stellte Courrances mit gespielter Demut fest. »Ich kann keinen Zwist in den Reihen der Streiter Gottes ertragen. In Seinem Namen bin ich hier, um den Frieden zu wahren.«
Roger schnaubte lautstark, und spöttisches Gelächter stieg von Bohemunds Leuten auf. Ein oder zwei von Gottfrieds Rittern standen erneut auf, doch nach einem Blick von Courrances setzten sie sich wieder. Geoffrey war beeindruckt von der Macht dieses Mannes. Obwohl Courrances doch angeblich nichts
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