Das Geheimnis der Heiligen Stadt
Mann durchaus dazu bringen, Gras zu essen«, stellte er fest. »Ich werde die Köche in der Zitadelle fragen, und wenn sie irgendwelches Fleisch bei diesem Mann kaufen, dann werde ich mich weigern, davon zu essen.«
Geoffrey lachte und stieà das schwere Portal zur Kirche auf. Er hatte immer noch den Geruch des Fleischmarktes in der Nase und fragte sich, ob sein Hund deswegen so hingebungsvoll an seinen Beinen schnupperte. Innerhalb der Kirche war es still, und er sah eine Reihe Mönche vor dem Altar stehen. Beim Geräusch ihres Eintretens wandte sich einer von ihnen um und trat grüÃend auf sie zu. Geoffrey wappnete sich für eine weitere unangenehme Befragung und war sehr verblüfft, als der Mönch ihn freundlich anlächelte und Wein anbot.
»Wir sind gekommen, um ein paar Fragen über Bruder Pius zu stellen«, kündigte er an und fragte sich, ob der Mönch wohl sein Angebot zurückziehen würde, wenn er den Grund ihres Besuches erfuhr.
»Der arme Pius«, sagte der Cluniazenser. Er sprach normannisches Französisch und schüttelte traurig den Kopf. »Sein Tod war ein groÃer Verlust für uns. Es gibt so wenig Cluniazenser in Jerusalem, müsst Ihr wissen, und er war in vielerlei Hinsicht unersetzlich.«
»Ich bedaure Euren Verlust«, sagte Geoffrey sanft. »Aber Ihr versteht gewiss, wie wichtig es ist, dass wir herausfinden, wer Pius ermordet hat und weshalb. Daher muss ich Euch einige Fragen stellen.«
In den Augen des alten Mönches glitzerten Tränen, aber er nickte.
Geoffrey schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. »Was könnt Ihr mir über Bruder Piusâ Tod erzählen?«
»Nur dass er im Haus eines einheimischen Schlachters tot aufgefunden wurde«, erklärte der Mönch. »Ich habe keine Ahnung, wie er mitten in der Nacht dorthin kam. Als wir feststellten, dass er nicht im Schlafsaal war, nahmen wir an, er habe sich zum Gebet in die Kirche zurückgezogen. Aber dann kam ein Bote und berichtete uns von seinem Tod. Pius konnte oft schlecht einschlafen, und häufig ging er des Nachts in die Kirche, wenn er voller Unruhe war.«
»Was ist mit Pius selbst? Was war er für ein Mensch? Hatte er viele Bekanntschaften auÃerhalb Eurer Gemeinschaft?«
»Nicht dass ich wüsste«, erwiderte der Mönch. Er füllte Rogers Kelch nach. »Wir bleiben unter uns und halten uns möglichst weit von Zank und Streit der Kirche entfernt. Wir sind einfach dankbar, dass wir in der Heiligen Stadt sein dürfen, und wir wollen unsere Zeit nicht mit Rivalitäten und Auseinandersetzungen verschwenden.«
»Konnte er schreiben?«, fragte Geoffrey. Möglich, dass auch Bruder Pius gelegentlich als Schreiber tätig gewesen war.
Der Mönch lächelte und schüttelte den Kopf. »Nicht einmal seinen Namen. Er zog die körperliche Arbeit der geistigen vor. Ãblicherweise werkelte er in der Küche und besorgte alles Aufräumen und Kochen. Seit seinem Tod hatten wir weder ein sauberes Haus noch eine anständige Mahlzeit.« Wieder funkelten die Tränen in seinen Augen, und er schaute beiseite.
»Er stammte aus Ripoll«, sagte Geoffrey. »Habt Ihr noch weitere Mitbrüder aus Spanien?«
Der Cluniazenser schüttelte den Kopf. »Wir kommen alle aus Frankreich. Pius war der einzige Spanier. Wir trafen ihn auf unserer Reise von Konstantinopel vor zwei Jahren.«
Der Mönch konnte ihm nicht mehr sagen, und widerstrebend trat Geoffrey aus dem kühlen Schatten der Kirche wieder hinaus in die Sonne. Es war die heiÃeste Stunde des Tages, und die StraÃen waren verlassen, abgesehen von einem gelegentlichen Tier und natürlich vielen Fliegen.
Der Hund winselte kläglich, und Helbye und Fletcher gingen immer schleppender. Unter dem Kettenhemd war Geoffreys Gewand durchnässt vom Schweià und begann zu kratzen. Er überlegte sich, in einem Gasthaus einzukehren, bis die Hitze nachlieÃ. Doch trotz der beachtlichen GröÃe der Stadt war Jerusalem in mancherlei Hinsicht ein Dorf, und bald würde sich überall herumgesprochen haben, dass der Vogt nun im rätselhaften Fall der Ermordung zweier Ritter und dreier Mönche Erkundigungen einziehen lieÃ. Geoffrey ahnte, dass er die Zeugen der beiden verbleibenden Todesfälle so schnell wie möglich befragen sollte. Wenn Hugo Recht hatte und irgendeine Art der Verschwörung dahinter steckte, dann würde
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