Das Geheimnis der Heiligen Stadt
anfangen?«, fragte Hugo, und seine Mundwinkel verzogen sich bei Rogers Bemerkung zu einem leichten Lächeln. »Heute habt ihr herzlich wenig bei euren Erkundigungen erfahren, auÃer ein paar Einzelheiten, die die Angelegenheit noch komplizierter machen.«
Geoffrey seufzte und sackte in seinem Stuhl zurück. Er beobachtete die Blätter, die sich schwarz vor dem dunkelblauen Himmel abzeichneten. »Ich nehme an, ich werde mit den Schreibern des Patriarchen sprechen und sie nach Bruder Jocelyne fragen. Dann versuche ich herauszufinden, wo auf dem Markt diese Dolche verkauft werden. Vielleicht gelingt es mir auch, mehr über Lukas von der griechischen Gemeinde zu erfahren.«
»Sei vorsichtig, mein Freund«, sagte Hugo. »Wenn Lukas ein Spion war, dann werden es die Griechen wohl kaum zugeben. Und sie werden alles tun, damit du es nicht herausfindest.«
»Wir sollten aufbrechen«, schlug Roger mit einem Blick auf den dunklen Himmel vor. »Bald läutet die Glocke zur Sperrstunde.«
Die drei Ritter verlieÃen den Garten, verabschiedeten sich von dem Gastwirt, der ihnen die Benutzung gestattet hatte, und machten sich auf den Weg zurück zur Zitadelle. Roger brüllte das Losungswort so laut, dass halb Jerusalem es hören konnte, und die Wachen lieÃen sie durch die Pforte ein. Sobald sie drin waren, eilte ihnen ein kleiner Mann entgegen. Sein Gesicht war schmutzverschmiert und seine Augen vor Angst weit aufgerissen.
»Herr Geoffrey?«, fragte er in jammervollem Ton und schaute nacheinander die drei Ritter an. Geoffrey hob eine Hand. »Ich bin Bruder Marius«, sagte der Mann mit unsicherer Stimme. »Einer der Schreiber, die vom Patriarchen damit beauftragt wurden, die merkwürdigen Todesfälle zu untersuchen, Bruder Dunstan, der mit mir zusammenarbeitete, wurde ermordet.«
5. Kapitel
D ie drei Ritter starrten entsetzt auf den zitternden Schreiber, der die Nachricht von Bruder Dunstans Ermordung brachte. »Wie?«, fragte Geoffrey schlieÃlich.
»Ich habe mir nicht die Zeit genommen, ihn gründlich zu untersuchen. Allerdings sah es so aus, als hätte man ihn erdrosselt. Es muss mit diesen Morden zusammenhängen. Vielleicht befürchtet der Mörder, dass wir ihm auf der Spur sind, und er möchte uns tot sehen, bevor wir ihn entlarven. Ich habe Angst, Herr Geoffrey! Wohin kann ich mich wenden? Womöglich beobachtet der Mörder sogar jetzt noch jeden meiner Schritte!«
Mariusâ Stimme nahm einen hysterischen Tonfall an, und Geoffrey unterbrach ihn schroff: »In der Zitadelle bist du sicher.«
Er fragte sich, ob das stimmte. Immerhin hatte irgendwer einen Dolch und ein Schweineherz ungesehen in seinem Zimmer hinterlegt. Geoffrey schaute den verängstigten Mönch an, während er darüber nachdachte, wer wohl diese abscheuliche Warnung in seinem Raum zurückgelassen hatte. Ein gewöhnlicher Krieger hätte kaum Zugang erlangen können, ohne dass man ihn zur Rede stellte. Also konnte nur ein Ritter den Dolch und das Herz hinterlegt haben. Aber alle Ritter der Zitadelle standen entweder unter dem Befehl Gottfrieds, Bohemunds oder Tankreds.
Sowohl Tankred wie auch Gottfried hatten Geoffrey jedoch beauftragt, die Morde zu untersuchen, und sie wussten beide, dass er für seine Hartnäckigkeit bekannt war. Sie hätten ihn kaum gefragt, wären sie selbst in diese Taten verwickelt. Bohemund auf der anderen Seite hielt sich in seinem Fürstentum Antiochia im Norden auf und versuchte, seine Ländereien zu sichern.
Geoffrey konzentrierte sich wieder auf die Anforderungen der Gegenwart. »Wo wurde Dunstan getötet?«
»An seinem eigenen Pult im Skriptorium des Patriarchen«, erwiderte der Mönch niedergeschlagen.
»Hast du dort irgendwen davonlaufen oder sich im Schatten verstecken sehen?«
Marius erbleichte, schüttelte aber den Kopf. »Nein. Dunstan erschien nicht zum Essen, müsst Ihr wissen, und ich fürchtete, er sei vielleicht krank geworden. Ich hielt im Schlafsaal nach ihm Ausschau, in den Gärten und in der Kapelle. Aber er war nicht dort. Ich konnte mir nicht vorstellen, was er nach Einbruch der Dunkelheit im Skriptorium anfangen sollte, denn wir brauchen Tageslicht für die Arbeit. Doch es war der einzige Ort, der mir noch einfiel. Die Tür stand offen, obwohl sie für gewöhnlich verschlossen ist, und ich spürte gleich, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ich trat
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