Das Geheimnis der Heiligen Stadt
aber ich bevorzuge eine, die auch versteht, was ich sage.«
Geoffrey war überrascht, dass Roger während seiner häufigen Frauengeschichten überhaupt irgendwelchen Gesprächen frönte. Aber er sah, wie die Mönche entsetzt dreinblickten. Rogers Frauengeschmack war in Gegenwart zweier Mönche und in einer Kirche wohl kaum das passende Thema.
»Gibt es sonst noch etwas, was Ihr mir sagen könnt?«, fragte er höflich, und damit sprach er die Mönche an.
»Nichts«, sagte Celeste, der Roger noch immer voll Abscheu anstarrte. »Ich habe schon mit meinen Mitbrüdern gesprochen, und keiner von ihnen hat irgendetwas gehört oder gesehen, was einen Hinweis auf den Grund von Lukasâ Ermordung geben könnte. Die meisten der Brüder waren bereits zu Bett gegangen. Es war dunkel, und es gibt wenig, was Mönche im Dunkeln tun können, auÃer schlafen oder beten. Wir sind keine Ritter, die Gelage feiern und die ganze Nacht mit den Frauen herumtändeln. Und das ist alles, was wir Euch zu dieser Sache sagen können.«
Auffordernd erhob er sich und hielt die Tür für sie auf. Almaric schenkte ihm für seine Unhöflichkeit einen weiteren sanft tadelnden Blick.
»Celeste hat Recht«, sagte er. »Es tut mir Leid, dass ich Euch nicht mehr helfen kann. Keiner von uns kannte Lukas näher. Ich werde allerdings weiter über die Angelegenheit nachdenken, und wenn mir noch etwas einfällt, lasse ich es Euch wissen.«
Die Ritter verabschiedeten sich von den Benediktinern und traten den Rückweg zur Zitadelle an. Geoffrey runzelte die Stirn.
»Wir haben nichts über Lukas erfahren, was uns weiterhelfen würde. Dafür haben wir die Verbindung zwischen Guido und Jocelyne entdeckt: Der Augustinerchorherr berichtete uns, dass Guido von einem Benediktiner besucht worden war, der Augen von unterschiedlicher Farbe hatte. Jetzt hat uns Bruder Celeste mitgeteilt, dass diese Beschreibung auf Jocelyne passt. Die beiden Männer haben einige Zeit auf Guidos Zimmer bei den Augustinern verbracht und etwas geschrieben. Guido wurde zwei Tage später getötet, und Jocelyne hat anscheinend von seinem Tod erfahren, während er vor dem Gebäude auf Guidos Rückkehr wartete. Jocelyne kehrte zum Felsendom zurück, wo er aufgeregt und reizbar war, bis er ebenfalls ermordet wurde.«
»Aber Bruder Pius hat Guido nicht besucht«, wandte Roger ein. »Das wäre auch ziemlich nutzlos gewesen, da er nicht schreiben konnte.«
»Das konnte er nicht«, sagte Geoffrey, »wenn sein Prior uns in dieser Hinsicht die Wahrheit gesagt hat. Aber der Prior hat uns auch gesagt, dass Pius des Nachts oft nicht schlafen konnte. Wer weiÃ, was er wirklich getan hat, während seine Brüder tief und fest schlummerten und annahmen, dass er in der Kirche betete?«
Geoffrey, Roger und Hugo saÃen zusammen in einem schattigen Garten und beobachteten, wie die letzten Sonnenstrahlen in orangefarbenen Dunstschleiern vergingen. Irgendwo in der Ferne erhob sich ein klagender mohammedanischer Gebetsruf. Erst ein zweiter, dann ein dritter Rufer stimmten rasch mit ein. Zu dem Garten gehörte ein kleiner Springbrunnen, und sein angenehmes Plätschern vermischte sich mit den Rufen der Muezzin zu einem Klang, den Geoffrey vermutlich für den Rest seines Lebens mit Jerusalem in Verbindung bringen würde.
»Verdammtes Gejaule«, knurrte Roger.
Der Hund hob den Kopf und stimmte ein düsteres Antwortgeheul an. Roger versuchte, den Hund und die Rufe zu übertönen, indem er lautstark aus seinem Bierkrug schlürfte.
»Das Bier ist schwach, die Musik furchtbar und die Frauen rar«, beklagte er sich. »Was für eine erbärmliche Gegend!«
Geoffrey schaute auf und beobachtete die Fledermäuse, die durch die Nacht schwirrten und sich an den Wolken der Insekten gütlich taten, die sich zwischen den Bäumen versammelt hatten. Ein sanfter Windhauch bewegte die Blätter in einem leisen Geflüster hin und her und lieà schweren Blütenduft wehen. Plötzlich und unpassenderweise fühlte Geoffrey sich an sein Zuhause auf Burg Goodrich erinnert, so viele tausend Meilen entfernt, und an eine Lichtung nahe dem Fluss, die in der Dämmerung stets so friedlich gewesen war.
Er schloss die Augen und atmete tief ein, versuchte, sich die unverwechselbaren Gerüche der Heimat ins Gedächtnis zu rufen: brennende Scheite im Kamin,
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