Das Geheimnis der Heiligen Stadt
nasses Gras und Frühlingsblüten. Doch die Erinnerung entzog sich ihm, und die vertrauten Gerüche Jerusalems trugen den Sieg davon: üppige Blumen â deren Namen er nicht kannte â und Staub.
Erschrocken zuckte er hoch, als Hugo eine Hand voll Wasser vom Brunnen über ihn spritzte. Roger bog sich vor Lachen.
»Willkommen zu Hause«, sagte Hugo. »Wir haben schon eine ganze Weile mit dir geredet und dachten, du wärest so höflich, uns zuzuhören. Aber schlieÃlich mussten wir feststellen, dass du gar nicht anwesend warst.«
»Entschuldigt«, erwiderte Geoffrey. »Ich versuchte nur, mich an England zu erinnern.«
Hugo und Roger starrten ihn verständnislos an.
»Nun, wir haben uns darüber unterhalten, was du heute herausgefunden hast«, sagte Hugo schlieÃlich. »Du hast erfahren, dass Bruder Jocelyne gelegentlich als Schreiber für Bohemund tätig war und dass er am Tag vor seinem Tod aufgeregt gewesen ist. Bruder Pius war kein Schreiber, doch er war tapfer genug, um im ehrenwerten Haus von Akira Fleisch zu kaufen. Dort fand er dann auch den Tod, während der gefürchtete Schlachtermeister schlief. Und Lukas war überhaupt kein Geistlicher. Es sieht nicht so aus, als gäbe es zwischen diesen drei Männern eine Verbindung.«
»Es hörte sich so an, als hätte Lukas nicht alle Tassen im Schrank gehabt«, stellte Roger fest und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe.
»Das hat er vielleicht auch nur vorgetäuscht«, wandte Geoffrey ein, »um sich seinen Arbeitsplatz am Heiligen Grab zu sichern. Immerhin hat man alle anderen Griechen vertrieben. Er könnte ebenso gut ein Spion für sie gewesen sein, der nur vorgab, ein harmloser Verrückter zu sein. So konnte er die anderen Mönche dazu verleiten, in seiner Gegenwart unbefangen von ihren Geheimnissen zu sprechen.«
»In diesem Fall wurde er vielleicht von jemandem am Heiligen Grab getötet, der ihm auf die Schliche gekommen war«, meinte Hugo nachdenklich. »Und Jocelyne wurde womöglich ermordet, weil er etwas erfahren hatte, während er für Bohemund arbeitete.«
»Aber das passt alles nicht zusammen«, sagte Geoffrey. »Und auch die Sache mit dem Dolch ist sonderbar: Die Opfer wurden mit ein und demselben oder mit ähnlichen Dolchen ermordet. Die Mönche am Felsendom und Akira wollten die Dolche stehlen, mit denen Jocelyne und Pius ermordet wurden, aber sie waren zu langsam. Als sie danach Ausschau hielten, waren die Dolche bereits verschwunden. Bruder Celeste berichtete, er habe Lukasâ Leichnam nach seiner Auffindung mit einer Decke verhüllt. Danach war er die ganze Zeit von einer groÃen Zahl Mönche umringt, die für ihn beteten. Doch als der Tote in der Kapelle ankam, war das Messer trotzdem verschwunden.«
»Und bei dieser Frau â¦Â«, setzte Hugo an.
»Melisende Mikelos«, warf Roger hilfreich ein.
»Und Melisende Mikelos zog das Messer aus Johns Leiche und nahm es mit nach drauÃen â genau wie ich es dir gestern gesagt habe«, sagte Hugo selbstgefällig. »Und es wurde gestohlen, nachdem sie es auf der StraÃe fortgeworfen hatte. Und was ist mit dem Dolch, mit dem Guido ermordet wurde?«
»Der wurde zusammen mit seinem Leichnam zur Zitadelle gebracht. Ich habe danach gefragt, doch aus irgendeinem Grunde hat man ihn nicht aufbewahrt. Keiner scheint genau zu wissen, was mit der Waffe geschehen ist. Aber ihr wisst, wie die Krieger hier sind. Vermutlich glaubte einer von ihnen, dass er ihn verkaufen könnte, und er hat ihn gestohlen. Ich habe die Männer befragt, die Guido zurückgebracht haben, aber allem Anschein nach blieb der Tote eine Zeit lang in der Kapelle der Zitadelle unbeaufsichtigt. Dort hätte jeder die Waffe stehlen können. Und dasselbe gilt für einen Brief, der angeblich vom Vogt selbst stammte und der von dem unsympathischen Augustiner von der Kirche der Heiligen Maria in die Festung gebracht wurde. Guidos Freunde sagen, dass sich unter seinen Besitztümern kein Brief befunden hat, und sie behaupten, das wäre ohnehin unwahrscheinlich, weil er gar nicht lesen konnte.«
»Was für ein Durcheinander«, stellte Roger naserümpfend fest. »Nichts ist klar, alles trübe. Da muss ein Geistlicher hinter all dem stecken, denn ein Krieger würde sich nie zu derartiger Arglist herablassen!«
»Was wollt ihr morgen
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