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Das Geheimnis der Heiligen Stadt

Das Geheimnis der Heiligen Stadt

Titel: Das Geheimnis der Heiligen Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beaurfort
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Er nahm Dunstans Kopf in die Hände und bewegte ihn hin und her. »Sein Genick ist gebrochen! Schau, wie sich der Kopf auf dem Hals bewegen lässt.«
    Roger beugte sich fasziniert zu ihm hinüber. »Gottverdammt, Geoffrey! Er wurde aufgehängt und nicht erdrosselt!«
    Sie blickten einander verständnislos an, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Leichnam zuwandten.
    Â»Mach schon«, drängte Roger. »Der Patriarch kann jeden Augenblick hier sein. Was kannst du sonst noch feststellen?«
    Geoffrey schaute sich Dunstans Hände an. »Da sind keine Abdrücke auf seinen Handgelenken, also war er nicht gefesselt. Und seine Fingernägel sind nicht abgebrochen. Also hat er sich nicht gewehrt, als man das Seil um seinen Hals legte.« Er sah auf das Ende des Seiles, das er noch immer in der Hand hielt. »Und es wurde abgeschnitten.«
    Weithin hallende Schritte auf der Treppe kündigten die Ankunft des Patriarchen und seiner Leute an.
    Â»Sonst noch was?«, fragte Roger eindringlich. »Dem Patriarchen ist es vielleicht nicht recht, wenn wir das hier allzu genau untersuchen. Wer weiß – ein Mord in seinem Skriptorium? Vielleicht hat sogar er selbst Dunstan ermorden lassen.«
    Â»Dunstan ist jedenfalls noch nicht lange tot, sonst wäre er steif.« Geoffrey erhob sich, als der Patriarch eintrat.
    Daimbert von Pisa war ein hoch gewachsener Mann. Er ging leicht gebeugt, und sein helles, silberweißes Haar lag so glatt um seinen Kopf wie eine Haube, in Form gehalten von parfümiertem Gänsefett. Sein Gesichtsausdruck war stets freundlich, und er hielt immer seine Hände vor der Brust verschränkt, auf eine Weise, die zu einem Bischof zu passen schien. Und doch verbarg sich hinter seinem Wohlwollen sowohl ein eiserner Wille wie auch eine bemerkenswerte Tatkraft, und es schien wenig zu geben, was er nicht tun würde, um Macht und Ländereien für die Kirche zu sichern. Selbst seine Freundschaft zu Tankred – der hinter ihm das Skriptorium betrat – lag im Interesse der Kirche, denn Tankreds Bündnis mit dem Patriarchen beeinträchtigte die Macht des Vogts.
    Es gab allerdings auch weniger schmeichelhafte Gerüchte über den Patriarchen. So sagte man, dass er eitel und ehrgeizig sei und nicht gänzlich unbestechlich. Zwei Jahre zuvor hatte er als päpstlicher Legat am Hofe des Königs von Kastilien gedient und dort Geschenke des Königs für den Papst entgegengenommen. Manch einer stellte seither die Frage, wie viele dieser Geschenke Seine Heiligkeit tatsächlich erreicht hatten und wie viele davon in Daimberts persönliche Schatullen gewandert waren.
    Nun blickte Daimbert auf den toten Mönch und murmelte ein Gebet für den Toten. Er wirkte nicht sonderlich bewegt, denn die Kreuzfahrer hatten eine Blutspur durch einen großen Teil der Welt gezogen, und der Tod war für keinen von ihnen etwas Außergewöhnliches. Hinter dem Patriarchen standen seine Mönche, ängstlich zusammengedrängt wie eine Herde Schafe. Sie bekreuzigten sich bei dem Anblick und stimmten eigene Gebete an, ein zusammenhangloser Wirrwarr von Stimmen, manche erschrocken, einige aufrichtig, andere einfach nur neugierig. Und einer vielleicht schuldig, zufrieden oder erleichtert?
    Als Daimberts Gebete abgeschlossen waren, hob er sein silbernes Haupt und schaute Geoffrey fragend an.
    Â»Bruder Marius kam zu uns«, erklärte der Ritter. »Er sagte uns, dass Bruder Dunstan ermordet wurde, und wir kamen hierher, um das zu untersuchen.«
    Â»Wer gab Euch die Befugnis dazu?«, erkundigte sich Daimbert ruhig. Allein der Vogt besaß die Autorität, unangekündigt in den Palast des Patriarchen zu platzen – Bohemund und Tankred trotz ihres Bündnisses mit Daimbert ganz gewiss nicht. Es bedurfte keines besonderen Scharfsinns, um zu erkennen, dass der Patriarch eine unrechtmäßige Verletzung seines Eigentums nicht hinnehmen würde, und Geoffrey spürte, dass er sich auf gefährlichem Grund bewegte.
    Geoffrey fühlte Tankreds Augen auf sich ruhen und ihn zum Stillschweigen ermahnen. Aber er wich Daimberts festem Blick nicht aus.
    Â»Wir sind hier mit der Befugnis des Vogts, Herr«, erwiderte Geoffrey höflich. Er war sich Tankreds Überraschung bewusst, blickte aber weiterhin Daimbert an. Daimbert wandte sich nun seinerseits um und zeigte mit einer graziösen Geste seiner beringten Hand auf Tankred.
    Â»Aber Ihr

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