Das Geheimnis der Heiligen Stadt
merkwürdige Sache«, sagte er. »Die Schreiber des Patriarchen haben ebenfalls danach gefragt. Nachdem Vater Almaric die Sterbesakramente verabreicht hatte â denn es ist immerhin möglich, dass die Seele nach dem Tod noch eine Weile beim Körper verbleibt und durch die Absolution gerettet werden kann â, ging ich mit zur Kapelle, um die Aufbahrung des Toten zu überwachen. Als wir ihn aus der Decke holten, war das Messer nicht mehr da. Es war verschwunden.«
»Habt Ihr gesehen, wer es genommen hat?«
»Natürlich nicht«, sagte Celeste. »Ich habe nicht einmal mehr daran gedacht, bevor die Schreiber des Patriarchen mich in dieser Sache bedrängt haben.«
»Wo ist das Messer also jetzt?«, hakte Geoffrey nach.
Celeste und Almaric tauschten ratlose Blicke. »Ich habe wirklich keine Ahnung«, stellte Almaric fest und legte die Stirn in Falten. »Ach du liebe Zeit. Ich hoffe, Ihr glaubt nicht, dass es gestohlen wurde. Was für ein schreckliches Verbrechen wäre das an diesem allerheiligsten Ort.« Er bekreuzigte sich rasch und wandte sich Celeste zu. »Zieh bitte Erkundigungen unter den Mitbrüdern ein und stell fest, ob irgendwer dieses schreckliche Ding gesehen hat oder etwas über seinen Verbleib weiÃ!«
»Kanntet Ihr einen Mönch namens Jocelyne?«, fragte Geoffrey und wechselte das Thema, um den alten Mann zu beruhigen. »Er war ein Benediktiner wie Ihr, doch er lebte am Felsendom.«
Vater Almaric runzelte die Stirn, während er sich den Kopf darüber zerbrach. »Ihr meint den Mönch, der im Dom ermordet wurde?«, fragte er schlieÃlich. »Nein, ich kann mich nicht erinnern, ihm einmal begegnet zu sein. Allerdings habe ich kein gutes Gedächtnis für Namen. Wie sah er denn aus?«
Geoffrey musste zugeben, dass er das nicht wusste. Er hatte Jocelyne nie gesehen, weder tot noch lebendig.
»Ich kannte Jocelyne«, warf Celeste nachdenklich ein. »Er war gelegentlich hier. Er hatte eigentümliche Augen â eines braun, eines blau. Ihr kennt ihn, Vater. Er kam vor einigen Wochen zu Euch zur Beichte.«
Der alte Mönch wirkte betroffen. »Kam er? Meine Güte! Mein Geist muss ja noch schwächer geworden sein, als ich dachte. Eigentümliche Augen, sagst du? Ich muss zugeben, ich kann mich an niemanden erinnern, auf den diese Beschreibung passt.«
»Was wisst Ihr über ihn?«, fragte Geoffrey Celeste und wandte sich von dem alten Mönch ab, der sich in seinen Stuhl zurücklehnte und verwirrt dreinblickte.
»Nicht viel. Er verbrachte die meiste Zeit am Felsendom und kam gelegentlich hierher, um zu beten. Ich habe nie selbst mit ihm gesprochen.«
»Wann habt Ihr ihn zuletzt gesehen?«
»Das weià ich wirklich nicht mehr«, sagte Celeste heftig. »In letzter Zeit nicht, doch andererseits ist er nun auch schon seit drei Wochen tot, und so ist das nicht weiter verwunderlich. Selbst ein Ritter könnte das ausrechnen.«
Es wurde still. Vater Almaric schaute den aufbrausenden Mönch tadelnd an. Auch Geoffrey musterte Celeste eindringlich, um herauszufinden, ob sein unfreundliches Benehmen normal war oder ob irgendetwas in den Fragen einen wunden Punkt bei ihm berührt hatte. Almaric versuchte, Celestes Grobheit mit höflichem Geplauder wieder gutzumachen.
»Ihr seid englische Normannen, nicht wahr? Ich war einmal in England und habe den Schrein des heiligen Botolph in St. Edmundsbury besucht. Das ist ein Haus der Benediktiner, müsst Ihr wissen. Welch wunderbarer Ort! So voller Ruhe und Frieden.«
»Ihr solltet mal Durham sehen«, meldete sich Roger zu Wort. »Das ist mal ein Haus, das Gottes würdig ist. Und ein starkes Haus, wie eine Festung. Das könnte ich leicht gegen die Schotten verteidigen!«
Almaric schaute verständnislos drein. »Vermisst Ihr es? Ich meine, England? Den kühlen Regen, den Nebel und die groÃen grünen Wälder?«
Geoffrey nickte. »Ich vermisse es sehr«, sagte er leise. Er blickte beiseite, durch das kleine Fenster, durch das er nur einen Wall trockener gelber Erde erkennen konnte. »Wenn Tankred es mir gestatten würde, kehrte ich morgen noch dorthin zurück. Ich bin diese ganze Hitze und den Staub müde geworden.«
Roger wollte gerne mitreden. »Ich vermisse das Bier«, unterbrach er sie eifrig. »Und die Mädchen. Diese griechischen und arabischen Frauen sind ganz in Ordnung,
Weitere Kostenlose Bücher